SZENE HAMBURG: Boris, Fettes Brot ist gerade erst Geschichte, da kommst du mit einem neuen Soloalbum um die Ecke. Von langer Hand geplant oder erst nach Band-Ende richtig daran losgearbeitet?
König Boris: Die ersten Songs habe ich während der Corona-Zeit geschrieben, als alles brach lag. Als sich dann irgendwann herauskristallisierte, dass wir Fettes Brot auflösen, war die Band auch erst mal mein Fokus. Nach der Auflösung hatte ich dann Zeit, alles zu Ende zu bringen – und jetzt geht es richtig los.
War schnell klar, wo die Reise musikalisch und textlich hingehen sollte?
Wie viele andere bin ich während Corona viel spazieren gegangen. Ich bin quer durch die Stadt, an bekannten und für mich neuen Gegenden vorbei. Alles menschenleer – wodurch mir sehr deutlich wurde, was alles fehlte und was normalerweise an den Orten los ist. Das war der Auslöser, mich textlich mit dem Thema Stadt zu beschäftigen, also mit den ganzen kleinen und großen Geschichten, die in einer Stadt so passieren – mal ganz dicht dran, mal von weiter weg gezoomt. Und musikalisch habe ich mich am UK-Sound der 90er orientiert. Allerdings nicht dogmatisch, ich hab durchaus auch modernere Einflüsse zugelassen.
Ich sehe ich auch sehr deutlich, was hier nicht gut läuft
König Boris
„Disneyland After Dark“: Eine Überraschung für die Ex-Kollegen
Nicht, dass Fettes Brot neben viel Humor nicht auch Ernstes zu bieten hatten: Aber „Disneyland After Dark“ ist textlich schon vergleichsweise sehr nachdenklich …
… und etwas düsterer. Die Geschichten, die ich erzähle, sind auch alles meine Geschichten. Ich bin immer viel in der Stadt unterwegs, so entsteht eine Mischung aus selbst Erlebtem und Beobachtungen. Ein Song wie „Stadtratte“ ist komplett aus der Ich-Perspektive erzählt, „Alle wach“ dagegen aus der Beobachterrolle. Dazwischen pendelt es hin und her. Die Tatsache, Teil des Ganzen zu sein, und der Blick in die nicht so gut ausgeleuchteten Teile der Stadt, faszinieren mich gleichermaßen.
In „Beste“, dem finalen Stück auf dem Album, beschreibst du Hamburg mit all seinen Facetten, von Elbphilharmonie bis Randale in der Schanze. Auf einer Skala von eins bis zehn, wenn zehn am zufriedensten ist: Wie gefällt dir der Hamburger Status quo?
Das ist sehr schwierig zu beantworten. Einerseits habe ich eine große Zuneigung zu Hamburg wegen der Menschen, Orte und Erlebnisse, die ich mit dieser Stadt verbinde. Andererseits sehe ich auch sehr deutlich, was hier nicht gut läuft. Der Wohnungsmarkt, die Verkehrspolitik, das Clubsterben: Ich könnte sehr viele Sachen aufzählen, mit denen ich nicht einverstanden bin. Aber Hamburg ist nun mal mein Zuhause, da kann ich nicht objektiv Punkte verteilen.
Nervt dich vielleicht, aber die Frage drängt sich auf: Wie finden die beiden anderen Ex-Brote die Songs auf „Disneyland After Dark“? Schon Feedback eingeholt?
Hahaha! Für die ersten Stücke bin ich sehr gelobt worden, was mich wirklich gefreut hat, aber den Rest kennen sie noch nicht. Der eine will sich überraschen lassen und mit dem anderen habe ich noch kein Date zum Vorspielen gefunden.
„Disneyland After Dark“ erscheint am 26. April 2024 (Buback/Indigo) Live gibt’s König Boris auch am 26. April um 20 Uhr im Uebel & Gefährlich zu erleben
Fettes Brot ist Hi(t)story
Im September 2023 verabschiedete sich einer der erfolgreichsten HipHop-Bands Deutschlands mit zwei großen Konzerten auf der Hamburger Trabrennbahn von der Bühne: König Boris und Fettes Brot waren Hi(t)story. SZENE HAMBURG sagten sie damals, ihre Fans sollten diesen beiden Abenden „nochmal ihre Jugend erleben“. Das machten beim „Brotstock-Festival“ am Ende rund 50.000 Fans – der Abschied von einer erfolgreichen Band mit Haltung war ein großer.
Dieses Interview ist zuerst in SZENE HAMBURG 04/2024 erschienen.