Pae White: „Käfer, Krabben und glitzernder Regen“

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Ausstellungsansichten: Pae White „bugs, drugs, a crab and maybe, some… rain“ Kunstverein Jesteburg, 2022 (©Courtesy PaE White, Neugerriemschneider, Berlin; Foto: Fred Dott)

Die große kalifornische Künstlerin Pae White erzählt beim Kunstverein Jesteburg vor den Toren Hamburgs von der Schönheit der Natur. Und das ist ein wahrer Glücksfall

Interview & Text: Sabine Danek

Es ist schon etwas Besonderes, wenn jemand wie Pae White, die seit Jahrzehnten in den großen Museen der Welt und auf Schauen wie der Biennale in Venedig ausstellt, in ein Städtchen wie Jesteburg kommt. Und das persönlich und mit einer Ausstellung, in der Brokat schimmert und Fundstücke in Netzen schweben. Wir haben mit Isa Maschewski, Direktorin des Kunstverein Jesteburg, über moderne Webtechniken, ein besonderes Gespür für Räume und Regenwolken in Los Angeles gesprochen – und über die Begeisterung, die diese Ausstellung vor Ort auslöst.

„Die Besucher:innen sind wirklich verzaubert“

SZENE HAMBURG: Isa Maschewski, wie kam Pae White nach Jesteburg?

Isa Maschewski: Tatsächlich war das überraschend unspektakulär. Beim Gallery Weekend in Berlin haben Corinna Koch und ich eine Ausstellung von ihr gesehen und waren so begeistert, dass wir ihre Galeristen neugerriemschneider angesprochen haben. Sie haben uns vorgeschlagen, dass wir Pae White mailen. Und das haben wir dann getan. Wir haben ihr geschrieben, dass wir ein junger, relativ kleiner Kunstverein sind, der in einer ländlichen Region bei Hamburg liegt und dass es in unserer Arbeit darum geht, eine intime Begegnung mit Kunst zu ermöglichen. Und sie hat dann tatsächlich sofort zugesagt. Das war wirklich großartig. Denn wenn jemand wie sie zusagt, ist das natürlich auch eine politische Geste, mit der die Wichtigkeit der Arbeit von Kunstvereinen auf dem Land betont wird. Und natürlich werden durch das Licht, das ihre Ausstellung abstrahlt, indirekt auch jüngere Künstler:innen gefördert, die bei uns ausstellen.

Wie habt ihr dann zusammengearbeitet?

Wir haben ihr detaillierte Fotos und Modelle von den Räumen geschickt. Sie hat sich auch sehr für das soziokulturelle Umfeld hier interessiert und dann genau überlegt, was man am besten an diesem Ort zeigt. Und das sind zum Beispiel brokatartige, wunderschöne Tapisserien. Mit kaum einer Ausstellung zuvor haben wir erlebt, dass es richtige Warteschlangen vor der Tür gibt. Die Besucher:innen sind wirklich verzaubert von dem, was sie sehen. Viele von ihnen sind zudem aus der Region und waren vorher noch nicht bei uns.

Pae White und ihr Gespür für Räume

Wahrscheinlich zieht das beeindruckende Handwerk viele an, oder?

Ja, viele interessieren sich für das Kunsthandwerk und die Webtechniken. Und sicherlich auch für die Natur und Nachhaltigkeit, um die es in der Ausstellung geht. Ich freue mich sehr, dass das so viele Menschen anspricht. Sicherlich ist diese Begeisterung auch der Erfahrung von Pae White zu verdanken, die weltweit ausstellt und ein ganz besonderes Gespür für Orte und Räume besitzt. Sie hat genau überlegt, was sie hier zeigt, um die Menschen zu erreichen. Und das hat sie auch geschafft.

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„Moderne Webereien arbeiten heute alle digital“

Wie sind die Arbeiten der Ausstellung entstanden?

Pae White arbeitet schon sehr lange mit einem Betrieb in Gent zusammen, der mithilfe digitaler Technik webt. Dennoch haben sie dort erst gedacht, dass sie die Arbeiten nicht produzieren können, weil sie so komplex sind. Sie haben gemeinsam sehr viel experimentiert und jetzt sehen die Tapisserien wie handgemacht aus. Parallel dazu zeigt Pae White aber auch noch eine Serie, in der sie verschiedene Garne spannt und verwebt, darin hat sie Fundstücke eingewebt. Teile von Krabben zum Beispiel, die sie an der Küste Kaliforniens findet. Diese Werke fertigt sie dann selbst in ihrem Atelier.

Wie kommt es, dass die Arbeiten digital gewebt wurden?

Moderne Webereien arbeiten heute alle digital und Paes Werke thematisieren diesen Herstellungsprozess auch. Sie lässt die Anordnung der Käfer, Fliegen oder Pflanzen auf den Tapisserien durch einen Algorithmus bestimmen und wählt dann anschließend den Bereich aus, der zur Arbeit wird. Pae White gefällt es, hier quasi kontrolliert loszulassen und Entscheidungen von einer Maschine treffen zu lassen, einem Prozess zuzuschauen, der unabhängig ist, von eigenem Wissen, Erfahrungen und Gefühlen.

„Das alles ist sehr besonders“

Inwieweit sind die Werke mit ihren Pflanzen und Tieren eine Hommage an die Natur?

Die Ausstellung heißt ja »bugs, drugs, a crab and maybe, some…rain« und eigentlich ist alles, was in dem Titel vorkommt, auch in der Ausstellung zu sehen. Man findet auf einigen Webereien Käfer, Pflanzen, kleine Blätter und Insektenflügelchen, es wirkt, als würde man tief ins Unterholz schauen. In anderen Werken sieht man Krabben und auf weiteren, großen Webereien geht es um Regen. Man sieht abstrahierte Wolkenlandschaften, die mit Metallfäden durchzogen sind und wie Regen in gleißendem Licht erscheinen. Regen spielt in ihrer Heimat Kalifornien eine besondere Rolle, weil er dort selten ist und auch, weil er Waldbrände verhindern oder löschen kann. Er ist ein Regen, auf den man hofft, »maybe, some…rain« eben. Verbunden mit den klassischen Handwerkstechniken, bringen ihre Arbeiten einem die Liebe zur Natur sehr nahe und auch, wie schützenswert sie ist.

Ihr werdet die Ausstellung auch digital präsentieren, aber natürlich muss man ihre Arbeiten unbedingt live sehen.

Auf jeden Fall. Schon allein, weil das Licht so eine große Rolle spielt und es funkelt und glitzert, wenn man sich an den Arbeiten entlang bewegt. Außerdem kann man auch um sie herumgehen und ihre Rückseiten betrachten, die sehr interessant sind und noch einmal ganz stark das Handwerkliche betonen. Gleichzeitig entstehen durch die Hängung auch intime Gänge, durch die man sich hindurch bewegen kann. Das alles ist sehr besonders und natürlich nur vor Ort zu erleben.

Pae White: bugs, drugs, a crab and maybe, some…rain noch bis zum 8. Januar 2023 beim Kunstverein Jesteburg

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