„Hundepark“ von Sofi Oksanen: Zwischen Wunsch und Wirklichkeit
Die finnisch-estnische Schriftstellerin Sofi Oksanen ist eine der besten ihres Landes. Ihr Roman „Fegefeuer“ aus dem Jahr 2008 (auf Deutsch ist er 2010 erschienen) wurde mit verschiedenen Literaturpreisen ausgezeichnet, und auch ihr neues Buch dürfte ein viel diskutierter Bestseller werden, zumal er ein sehr heikles und gesellschaftspolitisches Thema behandelt: Es geht um die Schattenseiten der „Kinderwunschindustrie“, in der reiche (West-)Europäer häufig die finanzielle Notlage armer Frauen aus dem Osten Europas ausnutzen, um sich mit ihrer Hilfe und ihren Körpern den Wunsch von eigenen Kindern zu erfüllen.
Im Zentrum des aufwühlenden Romans steht eine Frau, die an der Sehnsucht nach ihrem eigenen, von ihr geborenen Kind zu zerbrechen droht – und über die rücksichtlosen Mächte, die sie deshalb erbarmungslos jagen. Ein wirklich packender Thriller mit gesellschaftspolitischer Brisanz.
Sofi Oksanen: Hundepark, Kiepenheuer & Witsch, 480 Seiten, 23 Euro
„Trophäe“ von Gaea Schoeters: Lebenswert
Was ist ein Menschenleben (und was ein Tierleben) wert? Das ist die Frage, die über sämtlichen 256 Seiten von Gaea Schoeters’ preisgekröntem Roman schwebt. Im Zentrum von „Trophäe“ steht Hunter, ein reicher Amerikaner und begeisterter Jäger, der es liebt, Leben mit seinem Gewehr auszulöschen. Er hat schon so gut wie alles erlegt, nur ein Nashorn fehlt ihm noch auf seiner Bucket List – und der Abschuss eines solchen wird ihm eines Tages von seinem Freund Van Heeren angeboten.
Also reist er nach Afrika, um sich diesen skrupellosen Traum zu erfüllen und endlich die Big Five voll- und kaltzumachen, also Elefanten, Büffel, Löwen, Leoparden und eben Nashörner erschossen zu haben – doch der Traum platzt, als sein Plan von Wilderern durchkreuzt wird. Da fragt ihn sein Freund Hunter, ob er schon mal von den Big Six gehört habe. Denn darin steht auch der Mensch auf der Abschussliste. Ein ungemein radikaler und provokanter Roman, der einen heftig am Genick packt und in eine moralische Tiefe reißt, aus der es kein Entkommen gibt.
Gaea Schoeters: Trophäe, Paul Zsolnay Verlag, 256 Seiten, 24 Euro
„Klarkommen“ von Ilona Hartmann: Verlorensein
Ilona Hartmann kennt man vor allem durch ihre treffenden Kommentare zum Zeitgeschehen auf dem ehemaligen Twitter – ein Umstand, der ihr zu einer wirklich beachtlichen Karriere verholfen hat: Sie schreibt seither als freie Journalistin für Medien wie „Zeit Online“, hat eine Radio-Sendung auf Fritz, einen Podcast und ist zudem erfolgreiche Romanautorin. Nach ihrem 2020 erschienenen Debütroman „Land in Sicht“ setzt sie mit „Klarkommen“ nun noch einen drauf.
In diesem Coming-of-Age-Roman erzählt Hartmann von Mounia, Leon und der Erzählerin selbst, wie diese nach dem Abitur in die Großstadt ziehen und statt der vielfach versprochenen Freiheit dort nur vor allem eins vorfinden: ein Gefühl von Verlorensein. Denn die Herausforderungen an sich selbst und das Leben in einer sich aufzulösen drohenden Welt ist alles andere als leicht, und davon erzählt Hartmann feinfühlig, aber schonungslos ehrlich.
Ilona Hartmann: Klarkommen, park x ullstein, 192 Seiten, 22 Euro
Diese und noch mehr Literaturkritiken gibt es in SZENE HAMBURG 03/2024 .