Rom, 65 nach Christus. Der römische Philosoph Seneca (John Malkovich) hält am Hofe geflissentlich seine Reden. Er ist zutiefst überzeugt von seiner in der Tradition der Stoiker stehenden Lehre. Bloß gelingt es ihm nicht als Lehrer, Mentor und Berater Einfluss auf seinen Schüler Nero (Tom Xander) zu nehmen, dessen Aufstieg er mit begünstigt hat. Der junge Herrscher Nero verfällt zunehmend dem eigenen Größenwahn und greift auf rohe, ungezügelte Gewalt zurück. Schließlich richtet er sich auch gegen seinen eigenen Lehrmeister. Vom Hofe verjagt, lässt Seneca auf seinem Landsitz Theaterstücke aufführen, deren politische Botschaften sich unmissverständlich gegen den jungen Gewaltherrscher richten. „Präsident“ (!) Nero sendet einen Boten aus, der eine ebenso unmissverständliche Botschaft überbringt: sein Todesurteil. Bis zum Morgen soll Seneca sich selbst richten, oder er wird brutal gerichtet.
Eine zeitlose Parabel über die Gefahr maßloser Macht
Nero mit Sonnenbrille? Panzer-Graffiti auf römischen Wänden? Strommasten in der Landschaft? Der auf der diesjährigen Berlinale Weltpremiere feiernde Film „Seneca“ ist kein klassischer historischer Sandalenfilm, soviel wird schnell klar. Vielmehr thematisiert Regisseur Robert Schwentke („Flightplan – Ohne jede Spur“) darin den zeitunabhängigen universellen Konflikt zwischen Philosophie und Realpolitik auf satirische Weise. Der Film ist ein theatralisch inszeniertes Kammerspiel vor historisch anmutender Kulisse mit einem großartig aufspielenden John Malkovich („Being John Malkovich“).
Im Zentrum steht die Frage, welche Rolle der eitle Philosoph in seiner von Dekadenz und Gewaltherrschaft bestimmten Zeit spielt? Ist er ein Opportunist, ein Heuchler, ein Kollaborateur oder ein moralisch aufrechter, weiser Mann, zur falschen Zeit am falschen Ort? Ist er gar selbst dem Größenwahn anheimgefallen? Es sind existenzielle Fragen, die der Film anspricht. „Seneca“ ist eine zeitlose Parabel über die Gefahr maßloser Macht und totalitärer Systeme. Wie jede gute Philosophiestunde sind die aufgeworfenen Fragen wichtiger als die gegebenen Antworten. Wenn man dem Film überhaupt eine zentrale Botschaft unterstellen möchte, dann lautet sie: Male parta male dilabuntur („Übel Erworbenes geht übel zu Ende“).
„Seneca“, Regie: Robert Schwentke. Mit John Malkovich, Tom Xander, Geraldine Chaplin. 112 Min. Ab dem 23. März im Kino
Hier gibt’s den Trailer zum Film:
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Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 03/2023 erschienen.