Der Hamburger Rapper Duzoe leidet an Depressionen. Auf seinem Debütalbum „watchmeburn“ verarbeitet Duzoe enorm offen und ehrlich seine psychischen Erfahrungen – und möchte damit nicht nur sich, sondern auch seinen Hörern helfen
Interview: Erik Brandt-Höge
SZENE HAMBURG: Duzoe, es ist eine echte Seltenheit im Musikgeschäft, dass sich ein Künstler schon im Vorfeld einer Albumveröffentlichung von manchen Lyrics darauf distanzieren möchte. Bei dir ist das der Fall, wie du auf Instagram erklärt hast. Warum?
Duzoe: Einige der Songs auf dem Album sind in einer Zeit entstanden, in der ich nicht voll und ganz meiner besten Form entsprochen habe. Manches, was ich darin erzähle, habe ich später noch mal überdacht. Die Songs zeigen mir selbst eine Entwicklung auf. Das Album im Ganzen ist eine Art Selbsthilfe für mich. Ich mache Musik nicht, damit andere sie später nur genießen können, sondern für mich und mit der Hoffnung, dass ich Menschen damit helfen kann.
Zusammengenommen würden die Songs deine Erfahrungen zwischen 2017 und 2020 widerspiegeln, hast du einmal gesagt – der „vermutlich intensivsten Phase in meinem Leben“. Was hast du in diesen Jahren über dich gelernt?
Dass ich mich nicht umbringen sollte. Ich hatte viele Probleme mit meiner Psyche, und ich habe versucht, einen Weg zu finden, der eben nicht in Suizidgedanken endet.
Tatsächlich ist „watchmeburn“ textlich extrem intensiv. Es geht unter anderem um Panik, Depression, Selbsthass. Wie war es für dich, sich mit diesen Themen schreiberisch zu beschäftigen?
Mich ganz konkret damit auseinanderzusetzen und meine Gedanken in Worte zu fassen und aufzuschreiben, sie also nicht nur im Kopf zu lassen, hat mir auf jeden Fall sehr geholfen.
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Du beschreibst dich selbst als „Therapiezentrum für Leute, die nicht wissen, wohin mit sich“. Das gilt sicher nicht bloß für deine Kunst, sondern auch für deine Arbeit neben der Musik, nämlich als Sozialpädagoge. Kannst du diese Arbeit ein bisschen beschreiben?
Ich war in der Jugendhilfe tätig und habe in Wohnhäusern versucht, Menschen mit psychischen Störungen und anderen Beeinträchtigungen dabei zu helfen, ihren Alltag zu gestalten und durchs Leben zu finden. Mit dieser Arbeit habe ich eine Zeit lang pausiert. Ich musste mir zwangsläufig eine Pause einräumen und mir die Zeit nehmen, an mir zu arbeiten. Ich werde aber weiter als Sozialpädagoge arbeiten.
Könntest du dich zwischen Sozialpädagogik und Musik entscheiden?
Ich würde mich nicht entscheiden wollen. Denn: Meine Musik ist nicht mein Beruf. Ich würde nicht wollen, dass mich Musik in eine Drucksituation bringt, also, dass ich Musik machen muss, um Geld verdienen zu können.
Hast du denn Ziele – außer der Hilfe und Selbsthilfe – die du mit deiner Musik verfolgst?
Mein Ziel ist, dass die ganze Welt davon mitbekommt, dass ich Musik mache, und sich jeder ein eigenes Bild davon macht. Jedem ist natürlich selbst überlassen, ober er meine Songs gut findet oder nicht. Aber es wäre schön, wenn zumindest jeder von den Songs wüsste.
Und was Live-Shows mit „watchmeburn“ angeht: Schützt dich die Kunst vor Aufregung und Unsicherheit auf der Bühne?
Ich muss gestehen, dass ich bei Auftritten psychisch gar nicht unbedingt anwesend bin. Ich blende dann meistens alles aus und spiele so einen Film ab. Mich strengt es unglaublich an, im Mittelpunkt zu stehen und beobachtet zu werden. Das Einzige, was mir in solchen Situationen Sicherheit gibt, ist, dass ich weiß, dass die Menschen, die vor der Bühne stehen, da sind, weil sie mich mögen. Das nimmt mir ein bisschen die Prüfungsangst, wie man sie aus der Schule kennt. Was ich liebe, ist der Kontakt nach Auftritten, wenn mir Leute erzählen, dass sie Spaß hatten und sich freuen, mich zu sehen. Also: Einerseits liebe ich das ganze Szenario, andererseits habe ich eine panische Angst davor.
Wie würdest du dir denn ein perfektes Live-Szenario für „watchmeburn“ in Hamburg vorstellen?
Ich habe so ein Bild davon im Kopf, wie ich irgendwo stehe, brenne und mein Album spiele (lacht). Ich könnte mir vorstellen, es auf jeder Hamburger Bühne zu spielen. Ich liebe die gesamte Stadt. Vielleicht wäre ein Theater oder eine Oper ein passender Rahmen für eine Live-Premiere. Dort könnten sich die Leute die Zeit nehmen, mir zuzuhören und einfach zu genießen, ohne große Ausraster. Ich habe aber an sich kein Problem mit einem ausrastenden Publikum.
„watchmeburn“ ist am 9. Juli 2021 auf Corn Dawg Records/Virgin Music erschienen
SZENE HAMBURG Stadtmagazin, Juli 2021. Das Magazin ist seit dem 26. Juni 2021 im Handel und auch im Online Shop oder als ePaper erhältlich!