Sammlung Falckenberg: Schluss mit dem guten Geschmack!

Wie befreiend, wie subversiv, ernst, unterhaltsam und lustig Kunst sein kann, zeigt die Schau „Ernsthaft?!“, die von Renaissance bis zu Filmplakaten reicht
Peter Fischli, David Weiss: The Point of Least Resistance, 1981 (©Peter Fischli David Weiss, Zürich 2022, Courtesy Sprüth Magers, Matthew Marks Gallery New York und Los Angeles, Galerie Eva Presenhuber)
Peter Fischli, David Weiss: The Point of Least Resistance, 1981 (©Peter Fischli David Weiss, Zürich 2022, Courtesy Sprüth Magers, Matthew Marks Gallery New York und Los Angeles, Galerie Eva Presenhuber)

Ausgerechnet Ed Wood war Vorbild für diese Ausstellung. Der schlechteste Regisseur aller Zeiten, der in den Fifties und Sixties mit völliger Hingabe Filme über Außerirdische, Monsterbräute oder Totenorgien drehte, in der Papp-UFOs über die Leinwand trudelten, Kulissen wackelten und Masken schief saßen, die voller Anschlussfehler steckten und ohne Regietalent irgendwie zusammengeflickt waren. Aber genau an dieser Trash-Ästhetik, die aber immer auch ein Aufbäumen gegen alle Hollywood-Regeln und gegen die mächtige Filmindustrie waren, orientierten sich die Kuratoren Jörg Heiser und Cristina Ricupero, als sie diese Wanderausstellung für die Bundeskunsthalle konzipierten.

Mehr als Dadaismus

MRZYK et MORICEAU: Ohne Titel, 2017 (©Courtesy the artists and air de Paris, Romainville, Foto: Marc Domage)
MRZYK et MORICEAU: Ohne Titel, 2017 (©Courtesy the artists and air de Paris, Romainville, Foto: Marc Domage)

„Enthusiastische Peinlichkeit“ ist das, was sie interessiert, dieses große subversive Potenzial des Humors, das sich gegen Autoritäten stemmt, gegen Dogmen und Moral. Und das einem schon mal das Lachen im Halse stecken bleiben lässt, die Hände vors Gesicht schlagen und fremdschämen lässt, staunen, schütteln und auch wunderbar entspannen von dem Ernst der Welt. „kraff. püsch. kraff. püsch. püü uu“ hat Kurt Schwitters (1887–1948) in seinem Gedicht „Husten Scherzo“ in den 1920ern gelautmalt. Und natürlich kommt einem als Erstes der Dadaismus in den Sinn, der sich 1916 daran machte, die Kunst von dem Sockel altehrwürdiger Bedeutung zu holen. Der den Witz, den Dilettantismus, das Absurde und den Unsinn feierte, um sich gegen die Schrecken des Ersten Weltkriegs und eine Welt außer Rand und Band zu stemmen. Marcel Duchamp pinselte der Mona Lisa einen Schnurrbart auf die Oberlippe, Hans-Peter Feldmann lässt Adlige auf Ölschinken schielen, Saâdaine Afif bastelt Perlenvorhänge mit Papst Benedikt und in Regenbogenfarben und Cosima von Bonin drückt Fischen eine Ukulele in die Flossen. Humor bringt zusammen, was eigentlich nicht zusammengehört, führt die Welt ad absurdum und das gute Benehmen gleich mit. Lässt durchatmen und loslachen.

Kunst braucht das Alberner und Sinnbefreite

100 Werke aus der ganzen Welt und vom 16. Jahrhundert bis heute versammelt die Schau. Dazu gehört auch Sigmar Polkes „Apparat, mit dem eine Kartoffel eine andere umkreisen kann“ – und dazu ausgelassene Arbeiten vieler anderer großer Namen von Pieter Bruegel dem Älteren über George Grosz und de Chirico zu Martin Kippenberger und Maria Lassnig, einer Penis-Pfeife von Magritte, Paul McCarthy und auch Sterling Ruby, dem fantastischen amerikanischen Maler, der in frühen Jahren auch mal weiche Vampirzähne à la Claes Oldenburg genäht hat. Auf Bildlegenden verzichtet die Schau. „Denn muss man Witze erklären?“ fragen die Kuratoren. Natürlich nicht. Gleichzeitig macht die Ausstellung klar, dass die Kunst das Alberne und Sinnbefreite braucht, um nicht zu erstarren.

Kopf schütteln und herzhaft lachen in der Sammlung Falckenberg

Dass Dilettantismus und Unsinn auch gute Heilmittel gegen das Pathos, gegen die Egomanie und den Geniekult in der Kunst sind und es gut ist, sich auch mal zum Trottel zu machen. „Ich bin ein Idiot, ich bin ein Farceur, ich bin ein Scharlatan. Schauen Sie mich gut an! […] Ich bin wie Sie alle!“, wird Tristan Tzara, Dichter und Mitbegründer des Dadaismus, im umfassenden Ausstellungskatalog zitiert. Und auch George Grosz wusste um die Wirkung des Humors, als er die Karikatur des Soldaten in der Weimarer Republik mit dem berühmten Ausspruch „Melde gehorsamst, dass ich blöd bin“ versah. Humor kann bissig sein und genauso befreiend. Denn hat man sich erst einmal zum Idioten gemacht, dann kann man ganz unbeschwert alle Konventionen einreißen. Wie das auf ganz unterschiedliche Weise geschieht – von der Renaissance-Malerei über Skulptur, Installation bis zum Filmplakat, von Ironie und Karikatur zu Bad Taste zu B-Movies und Trash-Kultur – damit kann man sich in der Sammlung Falckenberg vergnügen, kann den Kopf schütteln und herzhaft lachen. Auch wenn einem manchmal ein Kloß im Halse steckt. Schließlich heißt es: Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Aber auch: Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Wie nennt man also einen Keks, der es sich in der Mittagshitze unter einem Baum bequem gemacht hat? Schattiges Plätzchen.

Die Schau „Ernsthaft?! Albernheit und Enthusiasmus in der Kunst“ wurde am 13. Mai 2023 eröffnet und ist noch bis zum 27. August in den Deichtorhallen / Sammlung Falckenberg zu sehen.

Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 05/2023 erschienen.

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