Bisher ist die Hansestadt bei der Produktion von High-End-Serien nicht aufgefallen. Das soll sich nun ändern. Sechs Projekte werden gefördert und ein geeigneter Standort für ein neues Studio gesucht
Text: Marco Arellano Gomes
Hafen, Kontorhäuser, Brücken, Bürogebäude, Fabrikanlagen, Grünflächen, Stadtvillen, Sozialsiedlungen: Hamburg ist prädestiniert dafür, filmisch in Szene gesetzt zu werden. Dennoch steht Hamburg nach wie vor hinter Berlin und München zurück. Das soll sich ändern. Zumindest lassen dies die Pläne der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein (FFHSH) und der Kulturbehörde vermuten. Im Juli verabschiedete die Filmförderung erstmals die finanzielle Unterstützung von High-End-Serien im Norden. Eine Million Euro stehen hierzu pro Jahr an Fördermitteln zur Verfügung. Serien sind in, die Mediatheken müssen gefüllt, die Sucht der Zuschauer gestillt werden. Es ist also Zeit, sich als Produktionsstandort in die erste Reihe zu schieben.
Gefördert werden vier Serien in der Entwicklung und zwei in der Produktion. Das Besondere: High-End Serien lehnen sich in Erzähltechnik und Ästhetik an Kinoproduktionen an. Die Projekte klingen vielversprechend: „Gefesselt“ (Regie: Hannu Salonen) handelt von einer Opferbetreuerin, die in den 1990er Jahren dem Hamburger Säurefassmörder Lutz Reinstrom auf die Schliche kommt. „Tod von Freunden“ (Regie: Friedemann Fromm) mit „Tatort“-Star Jan Josef Liefers und Katharina Schüttler zeigt zwei befreundete deutsch-dänische Familien, die sich an der Flensburger Förde so richtig kennen lernen.
Hamburg braucht ein Studio, das sämtliche Ansprüche und Bedürfnisse erfüllt
Weitere Projekte sind „Schneekönig“ (Regie: Stephan Wagner), über Hamburgs größten Drogendealer Ronald „Blacky“ Miehling; „Zwei Minuten“ (Regie: Florian Dietrich), über blitzartige Raubüberfälle im Auftrag einer geheimnisvollen Organisation; „Die beste Welt“ (Regie: Sebastian Ludwig), über zwei Typen, die ihr Restaurant zum besten der Stadt machen möchten; und die Fantasy-Animationsserie „Johnny Sinclair: Geisterjäger“ nach den Erfolgsromanen der Hamburger Kinderbuch-Autorin Sabine Städing.
„Das ist ein guter Anfang“, sagt FFHSH-Chef Helge Albers – und doch braucht Hamburg für High-End-Serien lang-, mittelund kurzfristig auch ein Studio, das verfügbar ist und sämtliche Ansprüche und Bedürfnisse erfüllt. „Derzeit können wir am Standort noch kein adäquates Angebot machen“, gibt Albers zu. Auch das soll sich ändern. Die FFHSH sieht sich nach Gebäuden um. Eines stand Ende Juni im Fokus der Aufmerksamkeit: das alte Paketsortierzentrum am Kaltenkircher Platz (Diebsteich). Dort – so der verwegene Plan – könnte ein Projekt realisiert werden, das zwar noch einige Zeit auf sich warten lassen dürfte, aber bereits jetzt alle elektrisiert: „Marlene“ mit Diane Kruger („Inglourious Basterds“) in der Hauptrolle als Filmlegende Marlene Dietrich.
„Hollywood in Altona“
Drehbuch und Regie: Fatih Akin. „Hollywood in Altona“ titelte die Zeit entzückt und kritisch zugleich – und wies auf die Pläne der Stadt hin, das Areal rund um das ehemalige Paketsortierzentrum zu einem „kulturellen Mittelpunkt des Quartiers“ zu wandeln. Der neue Bahnhof Altona wird nur wenige Gehminuten entfernt sein, da sollte das Umfeld nicht hintanstehen. Kleinteilige Gewerbeeinheiten, mit künstlerischer, musikalischer und handwerklicher Ausrichtung, sind geplant, aber auch Sportplätze, eine Musikhalle, Wohnraum, Grünanlagen – und möglicherweise eben auch besagtes Studio. Gegenwärtig steht das ehemalige Paketsortierzentrum leer. Nur die Play Photostudios nutzen die Halle für Fotosessions.
Einmal im Jahr findet hier zudem das Kurzfilm Festival Hamburg statt – eines der bedeutendsten in Deutschland. Die zuständige Kurzfilmagentur Hamburg wurde über die Pläne spät informiert. Es gab Gespräche über eine mögliche Nutzung des ersten Stockwerks. Es wurde aber auch darauf hingewiesen, dass man sich – für den Fall der Fälle – schon mal nach Alternativen umschauen sollte. „Ohne uns wüsste niemand, dass die Halle überhaupt nutzbar ist“, sagt Sven Schwarz, organisatorischer Leiter des Kurzfilm Festivals. „Wir sollten in der Planung fairerweise berücksichtigt werden.“
Noch ist die Frage des Standortes offen
Schwarz kennt das Gebäude gut. Er weist darauf hin, dass es keine Klimatisierung, keine verlässlichen Stromkreise, keinen stabilen Betonboden, aber einen sanierungsbedürftigen Fahrstuhl gibt. Seit zwei Jahren trägt Schwarz hier das Kurzfilmfestival aus. Ein Jahr hatte es gedauert, bis er hierfür die Genehmigung bekam. Auch wenn Schwarz die Idee, den Filmstandort Hamburg aufzuwerten, begrüßenswert findet, betont er, dass dies nicht mit Verdrängungseffekten einhergehen sollte – zumal sich Kurzfilmfestival und Produktionsstudio gegenseitig befruchten könnten. Noch ist die Frage des Standortes offen. „Ein Studio ist mehr als ein Dach mit vier geraden Wänden“, erklärt Helge Albers, „es braucht ein kreatives Umfeld, Verkehrsinfrastruktur, geringe Lärmbelästigung und vieles mehr.“
Keine Immobilie werde die Bedingungen zu 100 Prozent erfüllen. „Es ist eine ständige Abwägung, eine Suche nach Kompromissen, und eine Abschätzung über die Kosten.“ Vor allem aber ist es eine Chance. „Cinegate und das Studio Hamburg – die zwei bislang größten Filmstudios der Stadt – hätten andere Profile“, erklärt Albers. Zudem seien beide Studios mit TV- und Werbeproduktionen bereits recht gut belegt. „Das High-End-Seriengeschäft hatte uns bisher umschifft, aber jetzt wird Hamburg entdeckt.“ Ein neues, professionelles Studio wäre ein Signal, dass der Norden bei hochkarätigen Serien und Filmen mitspielt – mit Hamburg als Medienhauptstadt.
SZENE HAMBURG Stadtmagazin, August 2020. Das Magazin ist seit dem 30. Juli 2020 im Handel und auch im Online Shop oder als ePaper erhältlich!