Ohne Studio Hamburg gäbe es keinen „Tatortreiniger“, kein „Großstadtrevier“, keinen „Blochin“ und keine Edgar-Wallace-Verfilmungen. Wenn es um Film, Fernsehen und Medien geht, nimmt das Unternehmen mit seinem Studiogelände im Hamburger Stadtteil Tonndorf in Deutschland eine Schlüsselrolle ein. Und ist ein Beweis dafür, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk eine große Bedeutung für die Filmwirtschaft hierzulande hatte und hat. Denn Studio Hamburg ist eine Tochter der NDR Media GmbH.
1947 gegründet: Studio Hamburg (Foto: Staatsarchiv Hamburg, Studio Hamburg)
Der Beginn in der Nachkriegszeit
Die Anfänge des Studios gehen bis in die Nachkriegszeit zurück: 74 Jahre ist es her, dass Gyula Trebitsch und Walter Koppel die Weichen stellen und mit dem Film „Arche Noah“ die erste Produktion auf den Weg bringen. Damals noch unter dem Namen Real-Film. Regie führt seinerzeit Werner Klingler und die Bedingungen sind für Filmschaffende im noch weitgehend zerstörten Hamburg alles andere als einfach. Es muss viel improvisiert werden, so wird unter anderem in einem kleinen Tanzsaal eines Gasthauses in Ohlstedt gearbeitet, wo nicht mal eine Totale gedreht werden kann, so eng geht es zu. „Arche Noah“, in dem die Geschichte einer Trümmerfrau erzählt wird, die alles verloren hat, ihrem Leben ein Ende setzen will und von zwei jungen Männern gerettet wird, gilt heute als Initialzündung für Hamburg als Filmstadt.
Von Jürgen Roland bis Axel Milberg
Mit dem Umzug in eine Villa nebst Werkstätten in Tonndorf bekommt das Studio sein Zuhause. Eines, das fortwährend wachsen wird. Zeitgleich beginnt ein heute legendärer Hamburger Regisseur seine Arbeit: Jürgen Roland ist zunächst Regieassistent von Eugen York und wird später mit „Stahlnetz“, dem „Großstadtrevier“ und vielen weiteren Produktionen für Furore sorgen. Stars wie Curd Jürgens, Heinz Rühmann und Hans Albers geben sich die Klinke in die Hand. Klassiker des deutschen Films wie „Des Teufels General“ und „Der Hauptmann von Köpenick“ entstehen. Und Produktionen für das unter Filmschaffenden in den 1950er-Jahren noch verpönte Fernsehen gewinnen an Bedeutung. „Gestatten, mein Name ist Cox!“ mit Günter Pfitzmann, „Gertrud Stanitzki“ mit Inge Meysel und Krimiserien wie „Hafenpolizei“ und „Polizeifunk ruft“ werden zu Lieblingen des Publikums.
1970 wird mit „Taxi nach Leipzig“ in Verantwortung des NDR der allererste „Tatort“ gedreht – der Beginn einer der größten Erfolgsgeschichten im deutschen Fernsehen überhaupt. Noch heute produziert Studio Hamburg regelmäßig „Tatorte“, unter anderem aus der Borowski-Reihe mit Axel Milberg. Neben dem NDR sind auch viele andere Sender im Studio Hamburg präsent. So ist etwa das ZDF mit einem Landesstudio vertreten, auch RTL und Sat.1 haben auf dem Gelände Produktionsstätten.
Talentförderung
Johannes Züll ist Vorsitzender der Geschäftsführung bei Studio Hamburg. Er äußert sich zur Bedeutung des Unternehmens für die Filmbranche hierzulande, wenn es um Innovation, neue Impulse und die Förderung junger Talente geht: „Als eines der größten Produktions- und Dienstleistungsunternehmen für Film und Fernsehen in Deutschland steht das bei uns ganz weit oben auf unserer Agenda. Wir fördern junge Talente möglichst ‚on the job‘ und wir sind präsent in der Nachwuchsförderung.“ Das zeige sich auch am über mehr als 20 Jahre verliehenen Studio Hamburg Nachwuchspreis, der zuletzt 2019 vergeben wurde. Und seit diesem Jahr als Partner von First Steps, einer Initiative, die junge Talente mit Könnern der Szene zusammenbringt.
Dreh von „Die Pfefferkörner“ (Foto: Marion von der Mehden)
Film und Fernsehen
Züll hat auch Antwort auf die Frage, was aktuell anliegt und an welchen wichtigen Produktionen Studio Hamburg beteiligt ist. „Trotz Corona-bedingter Einschränkungen arbeiten unsere Produzentinnen und Produzenten unter Volldampf “, so der Geschäftsführer. Aktuell laufe im Kino grade „Ich bin dein Mensch“, ausgezeichnet mit vier Deutschen Filmpreisen (Lola) und gleichzeitig auch der deutsche Beitrag für den Oscar.
Auch der zweite „Pfefferkörner“-Film mit dem Titel „Die Pfefferkörner und der Schatz der Tiefsee“ sei bereits zu sehen. Mit „Die Toten von Marnow“ sei zudem eine der erfolgreichsten High-End-Dramaserien in diesem Jahr ausgestrahlt worden. „Die Serie erhielt zwei Fernsehpreise“, sagt Züll nicht ohne Stolz. Die Miniserie „Unorthodox“ habe ebenfalls viele Erfolge gefeiert, unter anderem sei sie 2021 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet worden. „Auch in der Dokumentation, im Naturfilm oder im Entertainment sind wir an vielen erfolgreichen Produktionen beteiligt“, so der Geschäftsführer. Denn bei Studio Hamburg werden neben Filmen auch Erfolgsformate wie „Wer weiß denn sowas?“ mit Kai Pflaume produziert.
Am preisgekrönten Film „Ich bin dein Mensch“ ist Studio Hamburg beteiligt (Foto: Christine Fenzl)
Ein großes Unternehmen
Aktuell bezeichnet sich die Studio Hamburg Gruppe, zu der etliche Tochterfirmen gehören, als eines der führenden deutschen Unternehmen auf dem Mediensektor. Der jährliche Umsatz wird auf 300 Millionen Euro taxiert. Rund 800 Festangestellte und Hunderte freie Mitarbeiter sind für die Gruppe, die außer in Hamburg auch in Köln, München, Berlin und sogar in London vertreten ist, im Einsatz. Das Dach der Unternehmensgruppe bildet die Studio Hamburg GmbH als Holding. Darunter gliedert sich das Unternehmen in die zwei Geschäftsbereiche Produktion und Distribution sowie Atelier und Technik. Unter dem Dach der Produktion sind die Firmen Cinecentrum, Polyphon und Serienwerft sowie die der Studio Hamburg Produktion Gruppe zugehörigen Produktionsfirmen Letterbox Filmproduktion, Real Film Berlin, Doclights, Nordfilm, Riverside Entertainment, B.vision Media, Amalia Film und Studio Hamburg UK versammelt. Unter den Geschäftsbereich Atelier & Technik fallen Studio Berlin, Studio Hamburg Ateliersbetrieb, Studio Hamburg Postproduction, Studio Hamburg MCI und Studio Hamburg Synchro.
Breit aufgestellt
Dass Studio Hamburg sich breiter aufstellen muss, weil heute nicht mehr unbedingt für die Primetime im linearen Fernsehen produziert wird, dass hingegen Mediatheken und Serien immer wichtiger werden, ist für den Studio-Hamburg-Chef offenkundig eher Chance als Problem. „Der Markt wandelt sich und der Markt wächst. Wir freuen uns und sind stolz, dass wir mit unseren Tochterunternehmen für alle Marktteilnehmer, die Öffentlich-Rechtlichen, die privaten TV-Sender, aber auch die Streaming-Plattformen arbeiten dürfen“, so Johannes Züll.
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