Theaterkritik: Blue Skies im Thalia Theater

Blue Skies im Thalia Theater präsentiert frittierte Heuschrecken im Kampf gegen die Klimakrise
Gefährliche Liebschaft: Pauline Rénevier in „Blue Skies“ (©Armin Smailovic)

Hochwasser, Hitzewellen und Artensterben – über die drei tonangebenden Nachrichten-Themen veröffentlichte der US-amerikanische Autor T. C. Boyle 2023 einen Roman: sehr beunruhigend, tieftraurig und ja, auch wirklich witzig. Die Uraufführung der dramatisierten Fassung von Christina Bellingen und Jan Bosse, der sie auch inszenierte, begeisterte das Publikum im Thalia Theater. Mit dem Titel „Blue Skies“ nimmt Boyle Bezug zum gleichnamigen Jazzsong, in dem sowohl der strahlend blaue Himmel als auch die deprimierte Stimmung – der Blues – besungen wird. In den Mittelpunkt stellt er eine vierköpfige US-amerikanische Familie, die ebenso exemplarisch wie individuell auf die globalen Veränderungen reagiert: Daddy Frank beschränkt sich auf lakonische Kommentare, Sohn Cooper wurde aus Überzeugung umweltbewusster Schmetterlingsforscher, Mutter Ottilie bereitet frittierte Heuschrecken als proteinreiche Nahrung zu, und Tochter Cat versucht sich als Influencerin.

Bitte Lachen, Weinen, Erschrecken 

Die als Klischee angelegten Figuren agieren unter Bosses Regie mitunter überzeichnet, Fratzen schneidend und regelmäßig das Publikum von der Rampe aus ansprechend, was sich hin und wieder anbietet, manchmal indes aufdringlich wirkt. Komik erzeugt vor allem der krasse Gegensatz zwischen der den Planeten retten wollenden, übermotivierten Mutter (großartig: Christiane von Poelnitz) und dem blonden Tochter-Dummchen (beeindruckend: Pauline Rénevier), die der Sinnlosigkeit ihres Daseins und dem Fehlen einer Perspektive mit der Einnahme von Alkohol begegnet. Und der Anschaffung einer Python, weil sie sich so gut als ringelnde Halskette macht. Wenn sie mit der Schlange spricht, bekommt ihre Stimme einen liebevollen Ton. Man ahnt, dass dies jemandem zum Verhängnis wird … Drei tolle Live-Musiker bereichern den Abend mit einem Soundtrack nach Manier bester Filmmusik: nie zu viel, immer unterfütternd. Ein Abend zum Lachen und Weinen, Erschrecken und Aufwachen.

Blue Skies im Thalia Theater, 23. Oktober 2024 und weitere Termine

Diese Kritik ist zuerst in SZENE HAMBURG 10/2024 erschienen. 

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