Lange suchte man ihn auf Spielplänen vergeblich, doch in letzter Zeit darf er auf deutschsprachigen Bühnen wieder geifern und schimpfen: „Der Theatermacher“. Erst im Juni konnte man im Thalia Theater ein Gastspiel des Berliner Ensembles mit Thomas Bernhards fast 40 Jahre altem bitterbösen Quasi-Monolog erleben. An den Hamburger Kammerspielen schlüpft nun Theater-Urgestein Peter Bause, der in diesem Jahr noch seinen 82. Geburtstag feiert, in die Rolle des selbstherrlichen Theatertyranns Bruscon, der mit seiner familiären Laienspielgruppe im trostlosen Kaff Utzbach haltmacht, um im heruntergekommenen Saal des Gasthofs seine Komödie „Das Rad der Geschichte“ aufzuführen.
Grandioser Hauptdarsteller
Dabei vertraut Regisseur Axel Schneider ganz auf die Kraft seines charismatischen Hauptdarstellers. Bause, der 2017 für seine Darstellung im Ein-Personen-Stück „Place of Birth: Bergen Belsen“ an den Kammerspielen mit dem „Theaterpreis Hamburg – Rolf Mares“ ausgezeichnet wurde, agiert in einem fast leeren Bühnenraum und blickt dort so tief in den Seelenabgrund seiner tragikomischen Figur, dass einem ganz schwindelig wird. Dieser Bruscon, der mit seiner desolaten Frau, seiner aufmüpfigen Tochter und seinem debilen Sohn (in allen Rollen: Jessica Kosmalla) sowie mit dem eingeschüchterten Wirt (Alexander Klages) umgeht wie mit Menschen dritter Klasse, ist in seiner verblendeten Hybris („Unter uns gesagt: Ich bin ein Klassiker. Mein Gott, was ist Goethe?“) und seinem manchmal erschreckend wahrhaftigen Blick auf die verzwickte Lage des Künstlerdaseins ebenso abstoßend wie mitleiderregend. Und köstlich komisch. Auch so kann man Machtmissbrauch – der in theaterinternen Hierarchien immer häufiger diagnostiziert wird – auf der Bühne thematisieren. Ein sensationell guter Abend. Gäbe es dieses Stück nicht schon, man müsste es für Peter Bause erfinden!
„Der Theatermacher“, Hamburger Kammerspiele, noch bis zum 26. Dezember 2023
Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 12/2023 erschienen.