Theaterkritik: „Was war und was wird“

„Was war und was wird“ in den Hamburger Kammerspielen zeigt das Eheleben auf dem Prüfstand
Urlaub gerne ohne Kind: das Ehepaar (Nina Kronjäger, l.) und Stephan Benson in „Was war und was wird“ (©Bo Lahola)

Im Grunde passen sie gar nicht zusammen, stellen Anke und Theo nach gut zwanzig gemeinsamen Ehejahren fest. Und wundern sich, dass sie sich überhaupt haben treffen können: die schicke Studentin und der scheue Junge vom Dorf. Tatsächlich verliebten sie sich und führten ein normales – oder spießiges? – Leben: Heirat, zwei Kinder, Haus mit Garten, er verdient das Geld, sie bleibt Hausfrau und Mutter. Genauso typisch ereilt sie der Moment, in dem die Kinder flügge werden und sie sich fragen, wo die Zeit blieb. An diesem Punkt halten Anke (sehr gut: Nina Kronjäger) und Theo (großartig: Stephan Benson) Rückschau: „Was war und was wird“ betiteln Lutz Hübner und Sarah Nemitz, Deutschlands erfolgreichstes Autoren-Duo, ihr jüngstes Stück, das sie im Auftrag der Hamburger Kammerspiele schrieben. Die Uraufführung setzte der künstlerische Leiter Sewan Latchinian in Szene.

Krebs und Alzheimer, aber was kommt dann?

Spielend geht das Paar zurück in prägende Phasen der gemeinsamen Vergangenheit, beide verwandeln sich in frühere Ausgaben ihrer selbst und reflektieren damalige Situationen mit heutigem Wissen. Diese abwechslungsreichen Zeitsprünge sind die Stärken des Abends, wenn sie beispielsweise ihr Kennenlernen nachstellen, atmosphärisch begleitet vom passenden Disco-Sound. Mitunter schwelgt das Stück zu detailverliebt in Erinnerungen, sodass der erste Teil einige Längen hat. Nach der Pause sind viele Erinnerungen verschwunden: Theo leidet an Alzheimer. Den ausgedünnten Erinnerungsfundus stockt er durch frei erfundene Begebenheiten auf, was ihn nicht daran hindert, seine an Krebs erkrankte Frau liebevoll zu pflegen. Schlüssigerweise will das gealterte Paar wissen, was noch kommt. Hier tritt erneut Alexa Harms auf, die im Bedarfsfall kleine Rollen übernimmt und nun zwei Geschenkpakete überreicht: Der Inhalt erlaubt einen Blick in die Zukunft. Auch diese imaginierten Jahre werden zu berührenden Spielszenen.

„Was war und was wird“ läuft noch bis zum 8. Oktober 2023 in den Hamburger Kammerspielen

Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 10/2023 erschienen.

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