Theaterkritik: „ZOV – Der verbotene Bericht“

Monolog eines russischen Soldaten: Kai Hufnagel inszeniert „ZOV – Der verbotene Bericht“ mit einem sicheren Gespür für Timing
Freude währt im Krieg nicht lang: „ZOV – Der verbotene Bericht“ (©G2 Baraniak)
Freude währt im Krieg nicht lang: „ZOV – Der verbotene Bericht“ (©G2 Baraniak)

„Neben mir schlagen Kugeln ein …“ schreibt Pawel Filatjew. Er ist Soldat an vorderster Front, als Russland im Februar 2022 die Ukraine überfällt. Seine Erfahrungen teilt er auf einer russischen Internet-Plattform – weshalb er heute versteckt in Frankreich lebt. Bald war klar, dass aus seinen Aufzeichnungen ein Buch werden muss: „ZOV – Der verbotene Bericht“ wird ein Beststeller. Nun hat das Altonaer Theater die aufsehenerregende Publikation als deutschsprachige Erstaufführung in einen 75-minütigen Monolog verwandelt.

Deutschsprachige Erstaufführung im Altonaer Theater

Wenn Kriegsberichterstattung überhaupt auf die Bühne soll, dann so: Kai Hufnagel inszeniert mit sicherem Gespür für Timing und schlichte, eindringliche Bilder. An keiner Stelle illustriert er den Text, stattdessen lässt er den Protagonisten sinnfrei an Metalltischen herumwerkeln, auf eine Leiter steigen und Steine schaufeln – alles in lauten, unangenehmen Frequenzen. Tobias Dürr gibt dem Soldaten seine Stimme, der charismatische Schauspieler berührt, wenn er spricht, schweigt und wenn er tanzt.

Direkt vom Licht angestrahlt, wirkt sein Gesicht grau und müde, wie vom Krieg. Den erlebt Filatjew zwei Monate lang, bevor er verwundet wird, was ihm vermutlich das Leben rettet. In dieser Zeit trägt er eine ukrainische Uniform, denn Russland schafft es nicht, seine Kämpfer ausreichend mit Kleidung, Nahrung oder Waffen zu versorgen. Damit sie sich vom Feind unterscheiden, müssen weiße Streifen auf Brust und Beine geklebt werden. Als Fallschirmjäger hebt er Schützengräben aus, träumt in den Pausen von einem kalten Bier und einer warmen Dusche. Unterwegs in einem Lkw ohne Bremsen, bleibt er mit seinen Kameraden im Sand stecken, wenig später muss eine ungeschützte Stellung auf einer Waldlichtung gehalten werden. Er hofft: „Wir haben sicher einen Plan!“ Doch dann kommen Zweifel und die Angst. Sehenswert. 

ZOV – Der verbotene Bericht“ ist am 4., 5., 12., 25. Juni 2023 im Altonaer Theater zu sehen.

Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 06/2023 erschienen.

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