Wim Wenders über Japan und Toiletten

Wim Wenders spricht im Interview über seinen neuen Film „Perfect Days“, seine Faszination zur japanischen Kultur und die Notwendigkeit auch das Hier und Jetzt zu genießen

Regie-Legende Wim Wenders (hier auf dem Filmfest Hamburg) schiebt immer das nächste Projekt voran (©Heike Blenk)

SZENE HAMBURG: Wim Wenders, Ihr neuer Spielfilm „Perfect Days“ handelt von einem Toilettenreiniger in Japan. Was inspirierte Sie zu dieser Geschichte?

Wim Wenders: Zunächst einmal hatte ich einfach Heimweh nach Tokio. Ich war fast zehn Jahre nicht mehr dort und habe durch die Pandemie zwei Reisen dorthin verpasst. Dann bekam ich die Einladung, mir dort die öffentlichen Toiletten anzuschauen, die berühmte Architekten wie Tadao Andō dort in den letzten Jahren gebaut haben. Das sind wirklich Träume von Toiletten, zum Teil in kleinen Parks gelegen. Wenn man darüber nachdenkt, wo man gerne mal auf ein stilles Örtchen gehen würde, um sein Geschäft zu verrichten, dann könnte man sich nichts Schöneres vorstellen als diese Häuslein. Aber ich hatte keine Lust, einen Dokumentarfilm über Klos zu machen, auch wenn sie von großen Architekten sind.

„Ich habe versucht, einen utopischen Film in der Realität zu machen“

Wim Wenders

Aber einen Spielfilm über Klos fanden Sie spannend?

Ich mochte, wie in Japan – anders als bei uns – das Gemeinwohl und der Zusammenhalt größer geschrieben wurden denn je. Jeder dort war so froh, dass allen endlich wieder alles zugänglich war. Deswegen wollte ich einen Film darüber machen, was für ein schönes Gut das Allgemeinwohl ist. Und dafür waren diese Toiletten ja gemacht. Also haben wir dazu eine Figur entwickelt, und es kam mit Kōji Yakusho ein Schauspieler ins Spiel, den ich verehre, seit ich ihn in „Shall We Dance?“ das erste Mal gesehen habe. Als es hieß, der könnte diese Rolle vielleicht spielen, gab es kein Halten mehr und wir schrieben ihm diese schöne Geschichte quasi auf den Leib.

Heimweh nach Japan

Woher kommt überhaupt Ihre Faszination für Japan?

Das ist eine schon lange andauernde Geschichte, die in den Siebzigerjahren damit begann, dass ich zum ersten Mal einen Film des japanischen Regisseurs Ozu Yasujirō sah. Ich kannte damals natürlich eigentlich die Filmgeschichte vorwärts und rückwärts, hatte schon Tausende Filme gesehen und selbst etliche gedreht, aber als ich in New York zum ersten Mal Arbeiten von diesem Mann sah, wusste ich, dass ich endlich meinen großen Meister entdeckt habe. Ich habe dann alle seine Filme gesehen, bin nach Japan geflogen und habe dort auch Filme ohne Untertitel geguckt, alles, was das japanische Filminstitut hergab. So bin ich das erste Mal mit der japanischen Kultur in Verbindung gekommen und fand mich dort zu Hause, in den Filmen und in diesem Land. Ich mochte, wie die Menschen dort miteinander umgehen, und eben auch, welchen anderen Stellenwert das Allgemeinwohl und das Soziale haben. Seither bin ich immer wieder nach Japan gekommen und habe auch dreimal dort gedreht. Und kaum, dass ich hier mit Ihnen darüber spreche, habe ich schon wieder Heimweh.

Ihr Film stellt geradezu poetische Fragen. Werden Schatten dunkler, wenn sich zwei überlagern? Oder: Warum kann nicht jeder Tag gleich sein? Sind das die Dinge, die Sie persönlich dieser Tage bewegen?

Ich habe zumindest versucht, einen utopischen Film in der gegenwärtigen Realität zu machen, wo uns solche Fragen zu entgleiten scheinen. Mir vorneweg! Ich bin ja arbeitswütig, habe immer einen zu vollen Kalender und greife ständig zum Handy. Ich muss mich deswegen regelmäßig daran erinnern, dass vieles gar nicht unbedingt nötig ist und man auch mal etwas auslassen kann. Dann merke ich mit großer Wehmut, was man alles verpasst in einer Gesellschaft, die einem einredet, dass man nichts verpassen darf. Allen voran die Aufmerksamkeit für das Heute, für das Hier und Jetzt, das, was man direkt vor sich hat. Das macht einem jetzt dieser Hirayama in meinem Film schön vor!

„Perfect Days“, von Regisseur Wim Wneders läuft dem 21. Dezember 2023 in den Kinos

Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 12/2023 erschienen.

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