Zu Weihnachten: Bücher zum Lesen und Verschenken

Die Weihnachtszeit ist Buchzeit: Wenn es draußen kalt und dunkel ist, gibt es nichts Schöneres als sich mit einem guten Buch ins Warme zu setzen und zu lesen. Deswegen hat die SZENE HAMBURG-Redaktion auch 2023 in ausgewählten Hamburger Buchläden nachgefragt und zehn Bücher zum Verschenken und gemütlichen Schmökern gefunden – und dazu gibt es einen Tipp vom Literaturexperten der SZENE HAMBURG.
Bücher zum Lesen und Verschenken
Buchläden sind Sehnsuchtsorte und auch 2023 haben zehn inhabergeführte Hamburger Buchläden der SZENE HAMBURG zu Weihnachten wieder Bücher zum Lesen und Verschenken empfohlen (©unsplash/Norbert Toth)

„Leonard und Paul“ von Rónán Hession ist „ein schönes Buch für die aktuell schwere Zeit“

Ayse Altin von der Buchhandlung Ida von Behr (Volksdorf) empfiehlt „Leonard und Paul“ von Rónán Hession (©Felix Willeke)

Die Buchhandlung Ida von Behr in Volksdorf gibt es seit 1953 und ist heute aus dem Stadtteil nicht mehr wegzudenken. Ayse Altin hat hier ihre Ausbildung gemacht und führt die Buchhandlung mittlerweile seit 20 Jahren.

„Bei ‚Leonard und Paul‘ von Rónán Hession passiert nichts (lacht). Auch ich habe das Buch am Anfang weggelegt, doch dann habe ich mir gedacht: ‚Wenn ein Typ wie Hession extra wegen einem (diesem) Buch zusammen mit seiner Frau einen eigenen Verlag gründet, dann muss da etwas dran sein.‘ Mit ‚Leonard und Paul‘ hat es Hession geschafft, ein Buch komplett ohne Spannungsbogen zu schreiben, das lesenswert ist. Die Geschichte dreht sich dabei um die zwei besten Freunde Leonard und Paul. Beide wohnen zu Hause und sind einfach von Grund auf gute Menschen.
Normalerweise sind die netten Figuren in Romanen die langweiligsten, doch das ist bei Hession anders. Denn in ihrer ‚Normalität‘ sind Leonard und Paul spannende Menschen, die spannende Gedanken haben. Für mich ist es die Sicht der beiden auf die Welt das Interessante an dem Buch. Dazu hat mir die Ruhe gefallen. Wir haben aktuell genug Krisen um uns herum und dann tut ein so ruhiges Buch ohne große Hochs und Tiefs einfach gut. Leonard und Paul führen ein ganz stinknormales Leben und zeigen, wie man genau dieses positiv sehen kann.“

Rónán Hession: „Leonard und Paul“, Woywod & Meurer, 320 Seiten, 26 Euro

„Die Postkarte“ von Anne Berest: Kein leichtes, aber ein wichtiges Buch

Bücher zum Lesen und Verschenken Büchereck Niendorf Nord (Niendorf) empfiehlt „Die Postkarte“ von Anne Berest
Carola Nischick vom Büchereck Niendorf Nord (Niendorf) empfiehlt „Die Postkarte“ von Anne Berest (©Katharina Stertzenbach)

Das Büchereck Niendorf Nord ist seit mehr als 35 Jahren eine Institution im Hamburger Norden. Beim Deutschen Buchpreis 2023 gewann es in der Kategorie „Hervorragende Buchhandlung“. Carola Nikschick ist seit 2014 Teil des Teams. Ob Kinderbuch oder Belletristik, bei ihr sind die Kundinnen und Kunden stets in den besten Händen.

„In Anne Berests ‚Die Postkarte‘ geht es um den Holocaust, um Antisemitismus und die Geschichte der Juden. Die französische Schauspielerin hat ihre eigene Familiengeschichte aufgeschrieben. Als ihre Mutter Lélia 2003 eine Postkarte bekommt, stehen auf der Rückseite als einziges vier Vornamen ihrer Verwandten: Großeltern, Onkel und Tante, die 1942 von den Nazis in Auschwitz ermordet wurden. Als Anne Berest schwanger ist, quartiert sie sich bei ihren Eltern ein. Und so erfährt sie von der Geschichte der vier Menschen. Das ist der erste Teil des Buches. Im ersten Teil des Buches entstehen sofort Bilder im Kopf, so dass ich Gänsehaut hatte.
Der zweite Teil setzt etwa zehn Jahre später an. Annes Tochter ist geboren und geht in die Schule und als sie eines Tages von ihrer Großmutter abgeholt wird sagt sie: ‚Heute haben sie in der Schule zu mir gesagt wir mögen Juden hier nicht.‘ Woraufhin Anne Berest mit ihrer Tochter über das unser Jüdischsein der Familie spricht, obwohl sie es nie gelebt oder nach außen getragen hat. Nach diesem Gespräch beginnt Anne mit einem Privatdetektiv über die Postkarte zu forschen. Eine detektivische Kleinarbeit, die an Spannung gewinnt, weil sie wissen möchte, wer ihr nach 60 Jahren die Postkarte geschickt hat. Viel Spannung und dazu die Sprache von Berest, die einen von der ersten Seite in die Geschichte zieht.“

Anne Berest: „Die Postkarte“, Piper, 544 Seiten, 28 Euro

„Schwarzer Oktober“ von Robert Brack: Ein Stück Stadt(teil)geschichte

Ulrich Hoffmann von der Buchhandlung Ulrich Hoffmann (Barmbek-Nord) empfiehlt „Schwarzer Oktober“ von Robert Brack (©Felix Willeke)

Seit 1982 gibt es die Buchhandlung Ulrich Hoffmann am Barmbeker Bahnhof. Die Sortimentsbuchhandlung hat ein breites Angebot von Belletristik über Biografien bis zu Kinderbüchern. Mittlerweile ist Ullrich Hoffmann in Rente, doch betreut das Geschäft weiter, bis eine Nachfolge gefunden ist.

„‚Schwarzer Oktober‘ von Robert Brack ist das Barmbek-Buch des Jahres. Es geht um den Aufstand der KPD (Kommunistische Partei Deutschlands, Anm. d. Red.) im Oktober 1923 in Barmbek. Für uns als Barmbeker Buchhandlung geht es dabei natürlich auch darum, ausgezeichnete Bücher zu unserem Stadtteil – und die gibt es nicht oft – hervorzuheben. Robert Brack hat einen Kriminalroman vorgelegt, der auf einem historischen Hintergrund fußt. Dabei ist ‚Schwarzer Oktober‘ der vierte Roman von Brack mit der Hauptperson Klara Schindler. In diesem Buch ist Schindler wie auch viele junge Menschen heute auf der Suche nach sich selbst und schließt sich im Zuge dessen den Kommunisten an. Dabei verwebt Brack den Weg seiner Protagonistin mit realen Personen wie der Frauenrechtlerin Ketty Guttmann. Bracks Buch ist nicht nur für die Menschen aus Barmbek spannend, da es klassische Krimileserinnen und -leser genauso wie historisch Interessierte anspricht und neben der Hauptgeschichte auch Elemente von Freundschaft thematisiert. Und ‚Schwarzer Oktober‘ ist trotz seiner Kürze von 160 Seiten vielschichtig und sehr flüssig zu lesen.“

Robert Brack: „Schwarzer Oktober“, Edition Nautilus, 160 Seiten, 16 Euro 

Politisch relevant: „Schwachstellen“ von Yishai Sarid

Bücher zum Lesen und Verschenken Buchladen in der Osterstraße (Eimsbüttel) empfiehlt „Schwachstellen“ von Yishai Sarid
Torsten Meinicke vom Buchladen in der Osterstraße (Eimsbüttel) empfiehlt „Schwachstellen“ von Yishai Sarid (©Katharina Stertzenbach)

„… lesen fängt links an“, das ist seit 1978 das Motto des Buchladen in der Osterstraße, der 2023 den Deutschen Buchhandlungspreis in der Kategorie „Besonders herausragende Buchhandlung“ gewonnen hat. Torsten Meinicke arbeitet seit über 25 Jahren in der Osterstraße und sitzt in der Jury für den Deutschen Krimipreis sowie im Verlagsbeirat der Edition Nautilus.

„Empfehlen möchte ich ‚Schwachstellen‘ von dem israelischen Autor Yishai Sarid, weil es unglaublich spannend ist. Zudem ist es, was israelische Politik und Geschichte angeht, auch sehr aktuell in diesen Zeiten. Sarid ist ein zeitgenössischer israelischer Autor, der vor seiner Karriere als Schriftsteller schon diverse andere Sachen gemacht hat. Er hat für den israelischen Militär-Nachrichtendienst gearbeitet, war später Staatsanwalt und arbeitete danach als Rechtsanwalt. Er ist also ein expliziter Kenner der israelischen Gesellschaft. Worum geht es in seinem Buch ‚Schwachstellen‘?
‚Schwachstellen‘ spielt in Israel und ist die Geschichte eines Computer-Nerds namens Siv, der direkt von seinem Militärdienst von einem privaten Nachrichtendienst abgeworben wird, um als Computer-Hacker zu arbeiten. Dieser Nachrichtendienst hat den Job, sich überall in Handys und Netzwerke einzuhacken, die Schwachstellen zu finden und Informationen zu verkaufen. Siv macht dort sehr schnell Karriere, bis er irgendwann merkt, dass er wohl doch nicht nur für die Guten arbeitet. Sivs zweites Problem: ein leicht gestörtes Verhältnis zu Frauen. Auch familiär läuft nicht alles rund, Sivs Mutter hat eine Affäre, seine Schwester ein ernsthaftes Drogenproblem. Und Siv beginnt, seine IT-Kenntnisse auch privat einzusetzen. Als er sich dann endgültig gegen seine Firma wendet, wird es auch für ihn gefährlich – lebensgefährlich geradezu. Ein unglaublich spannendes, politisch sehr relevantes Buch eines der besten zeitgenössischen israelischen Autoren und deswegen möchte ich das gerade in diesen Zeiten unbedingt empfehlen.“

Yishai Sarid: „Schwachstellen“, Kein & Aber, 288 Seiten, 24 Euro

„Kalmann und der schlafende Berg“ von Joachim B. Schmidt: „Kann man fast jedem schenken“

Jana Büchert von Frau Büchert (Rotherbaum) empfiehlt „Kalmann und der schlafende Berg“ von Joachim B. Schmidt (©Ronja Güldner)

Frau Büchert ist die Buchhandlung im Herzen des Grindelviertels, geprägt von der Nähe zur Uni sowie von einer lebendigen Szene aus Gastronomie, Theater und Kino. Ein Augenmerk liegt bei Frau Büchert auf der großen Kinderabteilung – ein Paradies für kleine Leseratten.

 „,Kalmann und der schlafende Berg‘ von Joachim B. Schmidt ist ein super Geschenk, weil man es fast jedem schenken kann. Ein kluges, herzenswarmes, lustiges Buch, das auch überraschenderweise politisch ist. Es ist das zweite Abenteuer von Kalmann, einem jungen Isländer, der ein bisschen eingeschränkt oder vielleicht besser gesagt einfach gestrickt ist. In der zweiten Geschichte wird Kalmann von seinem Vater, den er bisher nicht kannte, eingeladen, ihn in Amerika zu besuchen. Kalmann fliegt allein in die USA und wird von seiner sehr großen amerikanischen Familie sehr herzlich aufgenommen. Sie nehmen ihn dann am 6. Januar 2021 mit nach Washington auf einen sehr wilden Trip. Denn dort gerät Kalmann in die Dinge, die er nicht versteht, aber wie immer erst mal offen aufnimmt. Und ja, das eskaliert, mehr verrate ich nicht! ‚Kalmann und der schlafende Berg‘ gehört zu den Büchern, die total Spaß machen, obwohl sie auch ernst sind.“

Joachim B. Schmidt: „Kalmann und der schlafende Berg“, Diogenes Verlag, 304 Seiten, 24 Euro

„Die Möglichkeit von Glück” von Anne Rabe „ist mein Buch des Jahres“

Bücher zum Lesen und Verschenken Buchhandlung Samtleben (Uhlenhorst) empfiehlt „Die Möglichkeit von Glück” von Anne Rabe 
Stephan Samtleben von der Buchhandlung Samtleben (Uhlenhorst) empfiehlt „Die Möglichkeit von Glück” von Anne Rabe (©Felix Willeke)

Das Literaturhaus Hamburg wurde 1989 gegründet und seitdem führt Stephan Samtleben die dazugehörige Buchhandlung. Nach fast 35 Jahren gehört er zu den bekanntesten Buchhändlern der Stadt und will nach wie vor „der Dealer für guten Stoff auch abseits der Trampelpfade“ sein.

„‚Die Möglichkeit von Glück‘ von Anne Rabe ist mein Buch des Jahres. Das ist ein Buch, das etwas will und das auch ernsthaft ist. Es ist Anne Rabes erster Roman, sie ist ansonsten Fernsehjournalistin und 1986 in Wismar geboren, ein Wendekind also. Rabe nennt ihr Buch einen Roman, obwohl es viele Elemente des Dokumentarischen hat. Ihr Wunsch war es zu wissen, warum Deutschland in Ost wie West das geworden ist, was es jetzt ist. Diesem Wunsch geht sie vor dem Hintergrund nach, dass ihre Familie, die Mutter leitete beispielsweise ein Erziehungsheim in der DDR und war politisch involviert, nie etwas erzählt hat. Deswegen hat Rabe so viel Wissen und Geschichten gesammelt, wie es möglich war und verpackt die Lehren daraus in ihrem Buch, durch das eine Erzählerin führt. Dabei ist die Erzählung nicht stringent, sondern eher eine sehr gut lesbare Collage und setzt am Ende ein Bild zusammen, das die Leitfrage Rabes, nach dem wer wir sind, beantwortet. Das Buch stand 2023 auf der Shortlist für den deutschen Buchpreis, obwohl ich es da nicht erwartete hätte, weil Rabes Buch sehr ernsthaft und auch anstrengend ist. Rabe schreibt aus einer Unbedingtheit heraus und hat dabei auch etwas zu sagen. ‚Die Möglichkeit von Glück‘ ist ein Buch, das alle lesen sollten. Auch ich dachte auch zuerst, es sei eines von vielen Büchern über die DDR-Aufarbeitung, aber Anne Rabe hat etwas zu erzählen, das wir alle in unsere Köpfe kriegen sollten.“

Anne Rabe: „Die Möglichkeit von Glück”, Klett-Cotta, 384 Seiten, 24 Euro

„Die Träumenden von Madras“ von Abraham Verghese: Ein Jahrhundert, drei Generationen

Wolf Guierens von der Buchhandlung Seitenweise (Hamm) empfiehlt „Die Träumenden von Madras“ von Abraham Verghese (©Paula Budnik)

Die Buchhandlung Seitenweise in Hamm gibt es seit über 20 Jahren. Seitenweise bietet dabei neben Büchern auch ein kulturelles Netzwerk und organisiert von hier aus viele Veranstaltungen im Stadtteil. Die Buchhandlung Seitenweise gewann zudem den Hamburger Buchhandlungspreis 2022.

„Ich empfehle das Buch ‚Die Träumenden von Madras‘ von Abraham Verghese. Der Roman, der aus dem Englischen von Eike Schönfeld übersetzt wurde, ist eine indische Familiengeschichte. Ein großartiges Buch über den Zeitraum von einem Jahrhundert und drei Generationen. Im Vordergrund stehen die Frauen, die das Überleben und die Existenz der Familien sicherstellen. Das Buch spielt zum einen Teil in Indien und zum anderen in Europa und ist zeitlich gesprochen im 20. Jahrhundert zu verordnen. Deswegen spielen auch Themen wie der Ausbruch der Lepra Krankheit, Kolonialismus, Armut, die Befreiung Indiens und Gandhi eine große Rolle. Ein roter Faden, der alle Elemente der Geschichte miteinander verbindet, ist der Fluch des Wassers. Mehr kann dazu an dieser Stelle jedoch nicht gesagt werden, ohne den Leserinnen und Lesern etwas vorwegzunehmen. Empathisch geschrieben, übermittelt das Buch nicht nur Wissen, sondern ist auch passend für die langen dunklen Wintertage oder als Geschenk.“

Abraham Verghese: „Die Träumenden von Madras“, Inselverlag, 894 Seiten, 28 Euro

„Monica“ von Daniel Clowes, „Da steckt so viel drin“

Bücher zum Lesen und Verschenken Strips & Stories (St. Pauli) empfiehlt „Monica“ von Daniel Clowes
Hansjörg Ebert von der Buchhandlung Strips & Stories (St. Pauli) empfiehlt „Monica“ von Daniel Clowes (©Paula Budnik)

Strips and Stories ist einer der wenigen Spezialisten für Graphic Novels. In ihrem Geschäft auf St. Pauli stellen Hansjörg Ebert und Gesine Claus neben Neuheiten und Klassikern eine umfangreiche Backlist zur Verfügung und bieten seit 13 Jahren auch englischsprachige Comics an.

„Ich empfehle das Buch ‚Monica‘ von Daniel Clowes. Das Graphic Novel, das erst vor Kurzem erschienen ist, ist zwar etwas nischig, aber das hindert es nicht an seiner Großartigkeit. Das Buch startet bei der Entstehung der Erde und bildet auf den ersten paar Seiten alle wichtigen Geschehnisse der Zeit ab. Danach geht es richtig los. Aufgeteilt in neun Episoden handelt das Buch von Monicas Lebensgeschichte. Sie wächst in den 1970er-Jahren bei ihrer alleinerziehenden Mutter und anschließend bei ihren Großeltern auf. Auch wenn es anfänglich nicht so scheint, macht Monica ihren Weg. Mit all den Stationen, die zum Leben nun Mal dazu gehören: Liebe, Arbeit, Selbstverwirklichung, Kunst und Sterben. Während des Lesens versteht man nicht unbedingt sofort, worum es geht und was die Zusammenhänge sind. Deswegen ist dieses eines der Bücher, die sich dazu eignen, es mehrmals zu lesen. Es nimmt einen auf der einen Seite sehr mit, auf der anderen Seite aber regt es einen zum Nachdenken an. Wenn dieses Buch ein Roman wäre, hätte es bestimmt mehrere 100 Seiten, weil einfach so viel drinsteckt. Auch wenn es vielleicht etwas eigen ist, finde ich das Buch sehr toll.“

Daniel Clowes: „Monica“, Fantagraphics, 106 Seiten, 34,99 Euro

„Kathedralen“ von Claudia Pineiro: „Ein Buch und viele wichtige Themen“

Hilko Odens von der Buchhandlung ZweiEinsDrei (Altona-Altstadt) empfiehlt „Kathedralen“ von Claudia Pineiro (©Ronja Güldner)

Hilko Odens übernahm 2021 die Buchhandlung ZweiEinsDrei in der Großen Bergstraße. „Es war Liebe auf den ersten Blick“, sagt er. Heute ist ZweiEinsDrei eine Stadtteilbuchhandlung, die sich bemüht, auch Werke von kleinen Verlagen anzubieten und damit ein breites Spektrum an Perspektiven abzubilden.

„‚Kathedralen‘ von Claudia Pineiro ist ein Roman in sieben Erzählstimmen. Es beginnt damit, dass die jüngste von drei Schwestern zerstückelt mit verbranntem Torso aufgefunden wird. Bei der Beerdigung sagt die mittlere Schwerster Lia, dass sie jetzt nicht mehr an Gott glaube, wenn Gott sowas zulassen könne. Daraufhin brechen die Mutter und die älteste Schwester den Kontakt ab und Lia geht nach Santiago de Compostela in Spanien und wird dort Buchhändlerin. Sie hat ihren eigenen kleinen Laden und 30 Jahre vergehen. Eines Tages kommt ein junger Mann immer wieder in die Buchhandlung. Es stellt sich heraus, dass er ihr Neffe Matteo ist.
Hier kommt die Handlung langsam wieder ins Rollen und man erfährt, was 30 Jahre zuvor passiert ist. Claudia Pineiro ist Feministin und eine der wichtigsten argentinischen Autorinnen. Sie widmet sich immer Themen, die besonders in ihrem Land gesellschaftlich relevant sind. Diese untersucht sie und verkleidet sie meistens in einer Art Kriminalfall. Die Brisanz dieses Buches ist deswegen nicht nur Kirchenkritik. Die Autorin geht auch institutionalisierte Frauenfeindlichkeit in der Kirche wie auch in der Gesellschaft an. Ich finde, das ist ein Thema, das man sich nicht oft genug zu Gemüte führen kann.“

Claudia Pineiro: „Kathedralen“, Unionsverlag, 320 Seiten, 24 Euro

„Marschlande“ von Jarka Kubsova: Ein Blick in die Vergangenheit mit aktuellem Bezug

Bücher zum Lesen und Verschenken Lüdemann „Marschlande“ von der Hamburger Autorin Jarka Kubsova
Sabine Trefzer von der Buchhandlung Lüdemann (Wilhelmsburg) empfiehlt „Marschlande“ von der Hamburger Autorin Jarka Kubsova (©Katharina Stertzenbach)

Die Buchhandlung Lüdemann in Wilhelmsburg ist die einzige inhabergeführte Buchhandlung des Stadtteils. Sabine Trefzer ist hier die hilfsbereite Expertin für Krimis und Kinderbücher. Seit 2008 arbeitet sie als Buchhändlerin bei Lüdemann.

„Ich empfehle ‚Marschlande‘ von der Hamburger Autorin Jarka Kubsova. Eine Geschichte von zwei Frauen, die in zwei Zeitebenen spielt. Es geht in der Jetztzeit los. Britta zieht mit ihren beiden Kindern und ihrem Mann auf sein Drängen hin von der Hamburger Innenstadt in die Marschlande, obwohl sie eher eine Stadtpflanze ist. So kommen Britta und ihre Kinder in den Marschlande auch nicht richtig an. Der Einzige, der sich so richtig wohlfühlt, ist ihr Mann. Britta ist nicht richtig ausgelastet und macht deswegen lange Spaziergänge. Und auf einem stößt sie dann auf ein Straßenschild wo einfach nur ein Name ‚Abelke Bleken‘ draufsteht. Sie ist neugierig und fängt an zu recherchieren. So beginnt der zweite Strang der Geschichte.
Dieser spielt vor rund 500 Jahren. Abelke Bleken war eine sehr selbstbestimmte Bäuerin, die in den Marschlanden gelebt hat. Sie hat einen Hof und sechs Hektar Land geerbt. Und auch wenn sie als reiche Frau sehr begehrt war, lehnte sie alle Verehrer ab und wollte sich als Frau allein durchschlagen. Das ging gut, bis eine große Flut große Schäden verursacht. Doch das größere Problem ist das sie als Frau danach beim Wiederaufbau des eigenen Deiches nicht unterstützt wird, es nicht schafft und unter immer drastischere Strafmaßnahmen leidet bis sie komplett mittellos ist.
Abelke Bleken hat es wirklich gegeben und Britta setzt sich immer mehr mit ihr auseinander und entdeckt Parallelen zwischen sich und Abelke. ‚Marschlande‘ ist eines der feministischen Bücher und eigentlich ist es erschreckend, dass Britta sich in Abelke Bleken wiederfindet. Es wird heute immer noch vorausgesetzt, dass eine Frau, einen bestimmten Weg zu gehen hat. Und damit dann auch zufrieden sein soll.

Jarka Kubsova: „Marschlande“, S. Fischer, 320 Seiten, 24 Euro

Gewinner des Deutschen Buchpreises 2023: „Echtzeitalter“ von Tonio Schachinger

Daniel Schieferdecker, Ressortleiter Literatur SZENE HAMBURG, empfiehlt „Echtzeitalter“ von Tonio Schachinger (©Tracy Pallmann) 

„Tonio Schachingers ‚Echtzeitalter‘ wurde bereits einige Male mit Wolfgang Herrndorfs Klassiker ‚Tschick‘ verglichen – und da ist tatsächlich etwas dran. Nicht unbedingt von der Geschichte, aber vom Gefühl her. Ort des Geschehens, von dem Tonio Schachinger erzählt, ist ein elitäres Internat in Wien. Mittendrin: Till Kokorda, der aber weder mit dem despotischen Klassenlehrer, noch mit dem grundsätzlichen Wertekanons des Internats etwas anfangen kann. Er interessiert sich stattdessen für etwas anderes: Computerspiele. Ganz konkret: Das Echtzeit-Strategiespiel ‚Age Of Empires 2‘, in dem er so gut ist, dass er zu den besten zehn der Welt gehört. Nur: Was hat er in der echten Welt davon? Ein toller Coming-of-Age-Roman, den man in diesem Jahr unbedingt gelesen haben sollte. Nicht zuletzt, weil Tonio Schachinger dafür zu Recht den Deutschen Buchpreis zugesprochen bekommen hat.“

Tonio Schachinger: „Echtzeitalter“, Rowohlt, 368 Seiten, 24 Euro

Die Übersicht über die Buchläden 2023:

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Protokolle von Paula Budnik, Ronja Güldner, Katharina Stertzenbach und Felix Willeke

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