„The Zone of Interest“: Tödliche Ignoranz


Eine Bilderbuchfamilie in direkter Nachbarschaft zum Konzentrationslager Auschwitz? In „The Zone of Interest“, mit Sandra Hüller in einer der Hauptrollen, zeigt Regisseur Jonathan Glazer („The Fall“), wie mörderisch das Wegsehen und -hören sein kann
Hedwig (Sandra Hüller) zeigt dem Nachwuchs stolz ihren Garten (©Leonine Studios)
„The Zone of Interest“ ist für fünf Oscars nominiert, darunter Bester Film und Beste Regie, ab dem 29.02. läuft er auch in den deutschen Kinos (©Leonine Studios)

Der Holocaust ist bereits einige Male verfilmt worden. Selten gelang es, das Grauen der Konzentrationslager (KZ) angemessen in Bilder zu fassen – mit wenigen Ausnahmen wie beispielsweise „Schindlers Liste“ oder „Die Grauzone“. Regisseur Jonathan Glazer („The Fall“) wählt, auf Basis des gleichnamigen Buches des verstorbenen Autoren Martin Amis, einen anderen, so noch nicht gesehenen Ansatz. Gezeigt wird bloß die Welt der Täter – und zwar in direkter Nachbarschaft zum Ort des Grauens.

Rudolf Höß (Christian Friedel), Kommandant des KZ Auschwitz, lebt gemeinsam mit seiner Frau Hedwig (Sandra Hüller) ein privilegiertes Leben. Ihr Bilderbuch-Heim liegt in unmittelbarer Nähe zum Konzentrationslager, getrennt bloß von einer Mauer mit Stacheldraht. Das Haus gleicht einem nationalsozialistischen Puppenhaus: in schlichten braunen und grauen Tönen gehalten, spartanisch im Stil, leer an Menschlichkeit. Lediglich der Garten, den Hedwig voller Hingabe anlegt und pflegt, zeigt eine farbenfrohe Pracht. Gemeinsam mit ihren Kindern und zeitweise mit der Schwiegermutter leben die beiden parallel zu den Menschen in den Konzentrationslagern – als wäre nichts dabei. Im Hintergrund sind permanent die Geräusche der Todesmaschinerie zu hören: Befehle, Schreie, Bellen, Pferde, Schüsse und ein nie enden wollendes Dröhnen – die Todesfuge (Paul Celan) in Dauerschleife. Man muss schon großzügig weghören und wegsehen, um diese bedrohliche Kulisse hinter der Mauer nicht wahrzunehmen: den Rauch der einfahrenden Züge über der Gartenidylle, die Asche der Toten aus dem Schornstein. Um ihr Familienleben aufrechtzuerhalten, wird Hedwig zur inhumanen Ignorantin. Während ihr Mann Menschen versklavt, tötet und damit Karriere macht, sorgt sie sich bloß um das Haus und den Garten. Schockiert ist sie erst, als ihr Mann, um weiter Karriere zu machen, umziehen möchte …

Völlig zurecht mit fünf Oscar-Nominierungen

„The Zone of Interest“ ist ein faszinierender, unbehaglicher Film. Ein Familiendrama vor schaurigem Hintergrund. Geschickt lässt Glazer in diese Welt mit langen, statischen Aufnahmen eintauchen. Man sieht die Familie beim Baden, beim Essen, beim Teetrinken, beim Blumengießen, beim Ins-Bett-Gehen. Schnell wird klar: „The Zone of Interest“ ist die filmgewordene „Banalität des Bösen“ (Hannah Arendt). Keine Dämonisierung, vielmehr eine Demaskierung des Grauens, die insbesondere in der Endszene offenbar wird. Ein Film zum Wachrütteln, der zur rechten Zeit in die Kinos kommt und fünffach Oscar-nominiert ist (unter anderem als Bester Film und für die Beste Regie).

„The Zone of Interest“, Regie: Jonathan Glazer. Mit Christian Friedel, Sandra Hüller, Johann Karthaus. 106 Min. Ab dem 29. Februar 2024 im Kino.

Hier gibt’s den Trailer zum Film:

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Dieser Artikel ist zuerst in SZENE HAMBURG 03/2024 erschienen.

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