Molotow muss bleiben: Aufruf zur Demo nach Kündigung 

Dem Musikclub Molotow auf St. Pauli wurde zum 30. Juni 2024 gekündigt. Der Venue droht damit zum dritten Mal das Aus. Die Hamburger Clublandschaft ist wütend und ruft zur Demo am 30. Dezember 2023 auf
Legendärer Indie- und Alternative-Club: Dem Molotow droht die Schließung (©Erik Brandt-Höge)

„Uns wurde gestern gekündigt. Noch 192 Tage“, so steht es am 22. Dezember 2023 weiß auf schwarz auf dem Instagram-Account vom Molotow – schöne Weihnachten geht anders …

Nicht nur für Fans und Freunde des Musikclubs am Nobistor ist das ein Schlag ins Gesicht. Unter dem Posting solidarisieren sich die ganze Hamburger Clublandschaft und Musikschaffende mit dem Molotow. Darunter Tocotronic, Deichkind, Thees Uhlmann, Kettcar, die Donots, Casper und Blood Red Shoes. Viele von ihnen haben ein oder mehrere Male dort gespielt, in dem legendären Indie- und Alternative-Club, vielleicht sogar ihren ersten Auftritt in Hamburg gehabt. Wie vor ihnen Bands wie The White Stripes, The Killers, The Black Keys und Mando Diao.

Geschichte wiederholt sich 

Fast genau zehn Jahre ist es her, dass das Molotow zum ersten Mal aus- und umziehen musste. Am 14. Dezember 2013 spielte die Band Madsen ein Konzert in dem Musikclub, der seinen ursprünglichen Standort in den Esso-Häusern am Spielbudenplatz hatte. Anwohnende meldeten, dass sie ein Beben gespürt hätten, noch in der Nacht wurden die Gebäude und somit auch das Molotow aufgrund von akuter Einsturzgefahr evakuiert. Mieterinnen und Mieter sowie der Musikclub sollten nie wieder dorthin zurückkehren. Seit dem Abriss der Häuser liegt das Gelände brach, denn der Bau des versprochenen neuen Paloma-Viertels, wo auch das Molotow ein neues altes Zuhause bekommen soll, hat immer noch nicht begonnen. Mittlerweile will der Investor, die Bayerische Hausbau, das Projekt wieder loswerden und war bereits in Gesprächen mit der städtischen Wohnungsbaugesellschaft SAGA. Das Molotow zog nach der Räumung erst einmal für ein paar Monate ins „Exil“ in ein ehemaliges Möbelhaus an der Holstenstraße. Seit September 2014 ist es am Nobistor in der ehemaligen China Lounge ansässig. Doch jetzt soll auch hier Schluss sein.

Hotel statt Kultur

Der Grund für die Kündigung: Der Vermieter René Marn will mit seiner Firma Marn Objektmanagement ein Hotel für die zur Hyatt Gruppe gehörenden Lindner Hotels bauen. Auf der Website des Unternehmens heißt es: „Neubau eines Boutique Hotels auf der Reeperbahn in Hamburg“, daneben die Visualisierung eines rot verglasten Gebäudes – genau an der Stelle auf dem Kiez, wo aktuell noch das Molotow steht. Für Betreiber Andi Schmidt kam die Kündigung zum 30. Juni 2024 überraschend. Er hatte den Vermieter gebeten, ihn mindestens ein Jahr im Voraus über Pläne zum Bauvorhaben zu informieren. Auch um das Konzert-Booking besser kalkulieren zu können. Künstlerinnen und Künstler werden für das gesamte Jahr 2024 gebucht.

Am 5. Januar trifft sich der Molotow-Chef zu Gesprächen mit Hamburg-Mitte-Bezirksamtsleiter Ralf Neubauer und Kultursenator Carsten Brosda. Letzterer hatte am 22. Dezember beim Nachrichtendienst X geschrieben: „Die Kündigung durch den Eigentümer ist ein harter Schlag. Ich kann & will mir eine Kulturstadt Hamburg ohne @MolotowHamburg nicht vorstellen. Wir sind mit dem Molotow in Kontakt & werden uns schnell mit möglichst allen Akteuren treffen, um eine Perspektive für den Club zu finden.“ „Ich hoffe, dass es eine Lösung geben wird“, sagt Schmidt. Ein Umzug in die Kasematten hinter den Deichtorhallen wie im Fall der Sternbrücke-Clubs Fundbureau, Beat Boutique und Bar 227 komme für ihn allerdings nicht infrage. Die Lage sei nicht optimal. Auch würden die Kapazitäten der Räumlichkeiten nicht ausreichen. Konzerte in der Größe wie im aktuellen Molotow könnten dort voraussichtlich nicht stattfinden und damit würde erneut ein bedeutender Club der Stadt verschwinden. 

Molotow must stay: Demo am 30. Dezember

Seit 1990 gibt es den legendären Klub auf der Hamburger Reeperbahn (©Erik Brandt-Höge)

Die Hamburger Clubszene will das nicht einfach so hinnehmen. Gemeinsam mit dem Molotow rufen das Clubkombinat und der zum DANS Kollektiv gehörende Demorave zur Demo am 30. Dezember 2023 auf. „Diese Demo in Hamburg, das Molotow betreffend, ist auch ein generelles Ding. In ganz Deutschland – in vielen Städten – erodiert schon seit Jahrzehnten die Kulturlandschaft. Es gibt diese Locations nicht mehr, wo man als junge Band mal was ausprobieren kann. Das sind dramatische Veränderungen. Das finden wir komplett beschissen und in Hamburg zeigt es mal wieder, wie beschissen Sachen sein können“, sagt Timo Warkus, Sänger der Punkband Team Scheisse in einer Story auf Instagram. Sie werden die Demo musikalisch unterstützen. Genauso wie die Sängerin Deine Cousine und die Rockband Sempf. Dazu gibt’s die Partyreihe Depri Disko. Beginn ist um 15 Uhr vor dem Molotow. Nach den Reden und Auftritten der Live-Acts will die Demo, zu der rund 3000 Teilnehmende erwartet werden, weiter über die Reeperbahn ziehen. „Das überrascht uns positiv“, sagt Molotow-Betreiber Schmidt mit Blick auf die große Welle an Solidarität, die sein Laden dieser Tage erfährt. Dass der Club vielen etwas bedeutet, zeigt der Song „Wir sitzen so vorm Molotow“ von Muff Potter. „Weil: Wo sollen wir und future generations denn sonst sitzen? Vor der Elbphilharmonie? Vor den Asklepios Kliniken? Am Rathausmarkt 1 oder irgendwo am Arsch von Wellingsbüttel?“, fragen sie auf Instagram.

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