Pinkwashing, was ist sauber und was riecht nur gut?

Für den kommenden CSD in Hamburg am 5. August 2023 müssen Unternehmen, die mit ihrem Truck die Demonstration begleiten wollen, erstmals angeben, welche Maßnahmen sie konkret ergreifen, um die queere Community zu unterstützen
Beim CSD schmücken sich die meisten Teilnehmenden in Regenbogenfarben (©Jobben Grossmann)
Beim CSD schmücken sich die meisten Teilnehmenden in Regenbogenfarben (©Jobben Grossmann)

„Einmal im Jahr eine Regenbogenfahne zu schwenken. Das reicht natürlich nicht aus, um LGBTIQ+-freundlich zu sein“, sagt Manuel Opitz vom Hamburg Pride e. V., dem Organisator der Hamburger CSD-Großveranstaltung. „Wenn man am CSD teilnehmen will, als Unternehmen, Partei oder anderer Institution, dann verstehen wir das als Commitment zu unseren Forderungen, zum Engagement für Akzeptanz und Gleichberechtigung von queeren Menschen in der Gesellschaft.“

In diesem Jahr müssen Unternehmen, die mit einem Truck die CSD-Demo begleiten möchten, einige Fragen vorab beantworten. Wie wird nach innen und außen über das Thema kommuniziert? Welche queerfreundlichen Strukturen werden innerhalb des Unternehmens gefördert? Wie wird die LGBTIQ+-Community ganzjährig unterstützt? Es gebe so viele Möglichkeiten, etwas Positives als Unternehmen zu tun, so Opitz. Nutzt ein Unternehmen keine davon und wirbt dennoch etwa mit der Regenbogenfahne auf ihren Produkten oder zwei sich küssenden Männern im Werbevideo, so spricht man von Pinkwashing oder auch von Rainbow-Washing.

Zum vergangenen Pride Sommer analysierten unter anderem Medien der blu Mediengruppe, darunter auch der Hamburger „hinnerk“, Kampagnen verschiedener Firmen auf Glaubwürdigkeit. In mehreren Kategorien vergibt die Redaktion einen wertenden Daumen. So wird die in Regenbogenfarben gehaltene Niveadose, die zudem von Olivia Jones präsentiert wird, nicht grundsätzlich als Pinkwashing bezeichnet. Denn zum einen unterstütze Nivea zwar ganzjährig pro-queere Initiativen – wofür der Daumen nach oben geht. Zu kritisieren sei aber, dass die Dose in diesem Look nicht in Ländern vertrieben werde, in denen LGBTIQ+-Rechte beschränkt sind. Daumen runter.

Pinkwashing verschleiert die politischen Forderungen

„“Manuel Opitz vom Hamburg Pride e. V., dem Organisator des CSD-Hamburg (©Paul Schimweg)
Manuel Opitz vom Hamburg Pride e. V., dem Organisator des CSD-Hamburg (©Paul Schimweg)

Neben solchen Checks gibt es in Deutschland auch einige Gütesiegel für queeres Engagement. Diese werden etwa von Agenturen oder Vereinen vergeben. Auch wenn der Selbstauskunftsbogen des Hamburg Pride e. V. ähnlich funktioniert, sieht Manuel Opitz hier einige Probleme. So müsse man stets genau hinschauen, wer das jeweilige Siegel vergibt. Außerdem sei man darauf angewiesen, dass die Fragen durch die Konzerne ehrlich beantwortet werden. „Das sind ja auch Sachen, die man von außen gar nicht kontrollieren kann.“ Das betont auch die blu Mediengruppe als Anmerkung zu ihrem Check für den CSD-Truck von Mars’ M&M’s. Erst nach der Veröffentlichung habe Mars offen über seine Bemühungen für LGBTIQ+-Themen kommuniziert.

Einmal im Jahr die Regenbogenfahne zu schwenken, das reicht nicht aus, um LGBTIQ+–freundlich zu sein

Manuel Opitz, Hamburg Pride e. V. 

„Ich finde das positiv, wenn an Werbekampagnen mit Bedacht rangegangen wird und nicht einfach gesagt wird: ‚Wir machen das jetzt so und das wird schon ankommen‘“, sagt Dennis Kummerfeldt, der sich mit seiner Agentur wedoma auf Pride-Marketing spezialisiert hat. Für die Online-Plattform DBNA, die sich an queere Jugendliche richtet, ist er außerdem als Markenbotschafter tätig. „Was ich auf der Plattform merke, ist, dass in der Community immer mehr Groll aufkommt, gegen Unternehmen die lieblos ein Produkt, das sonst auch immer in den Regalen steht, einfach in Regenbogen färben – und gut ist.“ Vorab also mit queeren Menschen ins Gespräch gehen, sei da eine wichtige Vorarbeit.

Strenger vorgaben für Trucks beim CSD 2023

Teile der queeren Community sehen derweil ein tieferes Problem, noch hinter dem Pinkwashing: Die politischen Forderungen und der Protest-Charakter gingen beim CSD verloren. Da Konzerne überhaupt eine so präsente Rolle auf den Großveranstaltungen einnehmen würden. Command Queer, ein Hamburger Veranstaltungskollektiv, fragt auf seiner Website, wer oder was damit schließlich in den Vordergrund gerückt werde. Sie fühlen sich vom Hamburger CSD nicht vertreten und veranstalteten deshalb in den vergangenen zwei Jahren eine Parallelveranstaltung zu dem vom Hamburg Pride e. V. organisierten CSD. Ob die dieses Jahr wieder stattfindet, ist noch nicht bekannt.

Dennis Kummerfeldt hat sich mit seiner Agentur wedoma auf Pride-Marketing spezialisiert (©privat)
Dennis Kummerfeldt hat sich mit seiner Agentur wedoma auf Pride-Marketing spezialisiert (©privat)

Der Hamburg Pride e. V. hat zum CSD 2023 seine Vorgaben für die Demo-Trucks noch mal verschärft, um ebendiesen politischen Charakter des Tages möglichst beizubehalten. Maximal 30 Prozent des Truck-Designs dürfen für Eigenwerbung verwendet werden, die restlichen mindestens 70 Prozent müssen LGBTIQ+-Forderungen hervorheben. Zuvor war die Vorgabe eine 50/50-Mischung.

Unternehmen pauschal von einer Pride-Veranstaltung auszuschließen, sei kontraproduktiv, findet Dennis Kummerfeldt. Damit würde die Community riskieren, sich von der Gesellschaft abzuspalten. „Es gibt natürlich immer schwarze Schafe auf dem CSD, die dort pinkwashen, aber es gibt genauso Unternehmen, die es wirklich ernst meinen und was bewegen wollen“, sagt Kummefeld. Die Aufmerksamkeit, die dadurch entstehe, würde den Anliegen der Community sehr zugutekommen.

Dennoch schaue auch er noch mal genauer hin bei Unternehmen, die eine Werbekampagne bei ihm anfragen: Was tut der Konzern bereits für queere Anliegen? Oft beobachte er etwa, dass Unternehmen in den sozialen Netzwerken zwar einen pro-queeren Post machen, aber die homophoben Kommentare darunter nicht weiter angehen. Da rät er: „Bevor ihr eine Kampagne macht, zu eurem eigenen Schutz auch, kümmert euch erst mal darum, dass ihr intern aufräumt, erst mal sauber macht.“

Unternehmen beim CSD: Der Impuls geht von den queeren Mitarbeitenden aus

Beim Hamburger CSD beobachte Manuel Opitz ohnehin, dass in der Regel nicht die Marketingabteilung oder die Geschäftsführung den Impuls zur Teilnahme geben. Vielmehr seien es die queeren Mitarbeitenden-Netzwerke, die sich dafür einsetzen. „Das ist auch eine Arbeitskultur, die wir gut finden und fördern wollen“, sagt Opitz. Auch eine Auswirkung auf die hetero Kollegen und Kolleginnen erhofft er sich davon. Einen ähnlichen Fokus hat die Initiative „Welcoming Out“, die seit vergangenem Jahr über das Thema aufklärt und hetero Personen dazu animiert, durch Buttons ihre Offenheit zu zeigen. Damit sollen sich Menschen dazu eingeladen fühlen, offen über ihre Sexualität und Identität zu reden. Auch diese Initiative hat namhafte Unterstützer, wie Meta, Otto und Hapag-Lloyd.

Es gibt natürlich immer schwarze Schafe auf dem CSD, die dort pinkwashen, aber es gibt genauso Unternehmen, die es wirklich ernst meinen und was bewegen wollen

Dennis Kummerfeldt, wedoma

Unternehmen, die bisher noch nichts für die LGBTIQ+-Community tun, steht der Hamburg Pride e. V. dennoch offen gegenüber. Auf dem Selbstauskunftsbogen können auch geplante Programme und Maßnahmen eingetragen werden. „Wir sind nicht die CSD-Polizei, wir wollen die Türen öffnen für Unternehmen, Denkanstöße liefern und motivieren, sich damit auseinandersetzen, wie die Betriebskultur gegenüber queeren Menschen verbessert werden kann“, sagt Opitz. Da es auch die erste Saison für den Selbstauskunftsbogen ist, müsse man ohnehin erst mal schauen, was die Konzerne dort eintragen und was das schließlich bewirke. Und schlussendlich würden sicherlich immer auch Image- und Finanzinteressen eine Rolle spielen, meint Opitz – das sei eben alles sehr verwoben.

Dieser Artikel ist zuerst in der SZENE HAMBURG 07/2023 erschienen.

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