Nur 0,6 Quadratkilometer, so groß ist der Stadtteil Sternschanze. Zum Vergleich: Selbst die Hamburger Außenalster ist mehr als doppelt so groß. Zwischen Fernsehturm und Sternbrücke leben rund 8.000 Menschen und am Wochenende kommt ein Vielfaches der Bevölkerung dazu. Neben den vielen Menschen ist die Sternschanze vor allem eines: jung. Erst 2007 wurde aus dem historisch geteilten Gebiet zwischen dem ehemals dänischen Altona und Hamburg ein eigener Stadtteil.
Wir machen uns auf zu einem Streifzug vom Sternschanzenpark (umgangssprachlich auch Schanzenpark genannt), über die verwunschenen Hinterhöfe und die besonders im Sommer dicht bevölkerten Straßen bis zur stadtbekannten Sternbrücke und ins Karoviertel.
Schanzenpark: Grüne Lunge der Sternschanze
Die knapp 12 Hektar große Parkanlage zwischen Schlump, Bahngleisen und der S-Bahn Sternschanze ist die grüne Lunge des Viertels. Der Name stammt, wie der Name des Stadtteils, von Festungsbauten, die als Schanzen bezeichnet wurden. Mit 23 Metern liegt im Schanzenpark die höchste Erhebung des Stadtteils. Früher war diese „Schanze“ eine Verteidigungsanlage vor den Hamburger Stadtmauern – deren Wallanlagen heute noch in Planten un Blomen zu erahnen sind. Heute ist der Schanzenpark geprägt vom alten Wasserturm, den Sportanlagen des SC Sternschanze und den Menschen, die es vor allem im Sommer in den Park zieht. Kein Wunder, denn wenn die Tage am längsten sind, gibt es Musik und Literatur im Schanzenzelt. Dazu lädt alljährlich das Schanzenkino zu Open-Air-Filmabenden. Und mit dem Schrødingers gibt es hier eine der schönsten Open-Air-Locations Hamburgs.
Gelebte Politik: Die Rote Flora
Politisch ist das Schanzenviertel links orientiert. So holte die Linke bei der Bundestagswahl 2021 mit fast 20 Prozent eines ihrer hamburgweit besten Ergebnisse und die Grünen fuhren mit fast 50 Prozent sogar ihr stadtweit bestes Ergebnis bei den Zweitstimmen ein. Die CDU hingegen erhielt bei der Bundestagswahl 2021 im Stadtteil Sternschanze gerade einmal vier Prozent der Zweistimmen.
Zentral für den Stadtteil ist das linke Kulturzentrum Rote Flora. Seit über 35 Jahren prägt es das Viertel maßgeblich. Das seit 1989 besetzte Gebäude war früher ein Theater, danach ein Kino und ab 1964 Standort der Warenhauskette 1000 Töpfe. Als schließlich Ende der 1980er-Jahre bekannt wurde, dass das Haus zu einem Musical-Theater umgebaut werden sollte, sorgte das insbesondere in der Hausbesetzer:innenszene der Hafenstraße und bei anderen linken Gruppen für Unmut. Auseinandersetzungen mit der Polizei und kleinere Anschläge auf die Baustelle folgten und der Investor zog sich zurück – das geplante Musical-Theater wurde stattdessen als Neue Flora an der Holstenstraße errichtet.
Am 1. November 1989 erklärten Aktivisten die Flora für besetzt und das ist sie bis heute. Verwaltet wird das Haus zur Zeit formal von einer Stiftung. Einen Miet- oder Kaufvertrag für das linke Kulturzentrum gibt es nach dabei wie vor nicht. Die Rote Flora ist seither ein Ort für politische Treffen, Aktionen, Partys und die kritische Auseinandersetzung mit der Stadt. Ein Vertreter sagte einmal gegenüber dem NDR, die Flora wolle „ein Stachel im Fleisch der Herrschenden sein“. Getreu diesem Motto widersetzte sie sich auch immer wieder der politischen Forderung nach einer Räumung, die besonders infolge der Ausschreitungen rund um den G20-Gipfel 2017 noch einmal lauter wurde.
Gentrifizierung in Hamburg: Sternschanze
Mittlerweile ist die Rote Flora aber auch ein Standortfaktor und damit Teil der Gentrifizierung des Stadtteils. Ein anderes Symbol für diesen Strukturwandel ist das Hotel im Schanzenpark. Vor mehr als zehn Jahren wurde der alte Wasserturm umgebaut und auch hier gab es massive Proteste. Die linke Szene äußerte Bedenken ob des geplanten Vier-Sterne-Hotels in ihrem Viertel. Doch im Gegensatz zur Roten Flora setzten sich hier die Investoren durch und das Hotel eröffnete.
Eine solche Entwicklung ist typisch für die Gentrifizierung, die häufig wie folgt abläuft: In einem Viertel siedelt sich durch günstige Mieten – oder wie im Fall der Flora durch Hausbesetzung – ein kreatives, häufig eher linkes Milieu an. Das Viertel gewinnt durch Subkultur an Attraktivität und zieht damit Investoren und große Kapitalgeber an. Diese investieren, kaufen Häuser, sanieren diese und erhöhen die Mieten und in der Folge wird das kreative Milieu verdrängt. So ist es auch zum Teil auf der Sternschanze passiert. Seit Jahren werden immer wieder Gebäude mutmaßlich dem Verfall überlassen, Bewohnende müssen ausziehen und Neubauten werden erreichtet. So werden alt-eingesessene Menschen und Geschäfte verdrängt. Das Viertel wandelt sich mit der Zeit vom links-alternativen Viertel zum Party- und Ausgeh-Hotspot und weiter zum gehobeneren Wohnviertel.
„Wir wollen ein Stachel im Fleisch der Herrschenden sein“
Linkes Kulturzentrum Rote Flora
Ein Wandel der langsam voran schreitet. Trotzdem hat sich die Schanze eines bewahrt: die Kultur. Denn Institutionen wie das 3001 Kino, eines der besten Programmkinos der Stadt, sind weiterhin hier zu Hause. Dazu kommen ein nahezu unbegrenztes kulinarisches Angebot und einiges der besten Partylocations der Stadt.
Restaurants in der Sternschanze
Nur wenige Meter hinter dem Schanzenpark eröffnet sich direkt hinter der Bahnbrücke ein Paradies für Freunde des guten Geschmacks. Kumpir, indisches Essen und Klassiker der Norddeutschen Küche in Omas Apotheke, schon auf den ersten Metern gibt es alles, was das Herz begehrt. Und wenn man von der Schanze spricht, gehören auch die Bullerei von Tim Mälzer, das Braugasthaus Altes Mädchen und die Ratsherren Brauerei mit dazu. Außerdem gehören Restaurants wie das Pamukkale oder schräg gegenüber das Lokmam zu den Top-Adressen für türkische Küche in Hamburg. Dazu kommt mit dem Jill einer der besten Pizza-Läden der Stadt, mit Erika’s Eck ein echter Klassiker, mit dem Berta Emil Richard Schneider ein richtiger Geheimtipp und bei Royal Donuts gibt es auch noch etwas Süßes.
► In der Schanze reihen sich längst die Restaurants und Kneipen aneinander, die Auswahl ist groß und nicht jeder Laden ein kulinarischer Volltreffer. Genuss-Guide Hamburg verspricht: In diesen zehn Restaurants in der Sternschanze schmeckt’s!
Hamburgs Nachtleben: Hotspot Sternschanze
Das Goldfischglas, die Rote Flora und mehr: Auf und rund um die Schanze finden sich einige der besten (Techno-)Clubs der Stadt. Feiern lässt es sich hier also ebenfalls bestens. Neben Partylocations hat aber auch die Kultur im Schanzenviertel sein Zuhause. Alles fängt mit der Rota Flora an und in direkter Nachbarschaft steht das Haus73. Vor einigen Jahren frisch renoviert, bietet es gutes Bier gepaart mit regelmäßigen Quizabenden im Galopper des Jahres, der mittlerweile auch in Eimsbüttel zu Hause ist. Dazu kommt all das, was hier entstanden ist: So gab es noch vor Jahren im Haus73 das ehemals größte und unbekannteste Theaterfestival Norddeutschlands, das Kaltstart, und bis heute findet neben den regelmäßigen Singer- & Songwriter Slams auch der legendäre „Slam the Pony“-Poetry Slam statt.
Flanieren am Schulterblatt
Dieser Kulturelle Hotspot mit dem Haus73 und der Roten Flora befindet sich direkt am Schulterblatt. Die Straße zwischen Neuem Pferdemarkt und Max-Brauer-Allee kann getrost als Herz der Schanze bezeichnet werden. Im Norden lädt der breite Gehweg zum Verweilen ein und viele Lokale verlagern ihren Gastraum im Sommer nach draußen. Nur wenige Meter weiter gen Richtung Süden lohnt ein Besuch in der Buchhandlung im Schanzenviertel und wer direkt gegenüber neben Brunos Käseladen einen Blick in den Durchgang riskiert, entdeckt den Baschu. Der Baschu ist ein Spielplatz in einem der grünen Innenhöfe im Viertel. Wer Glück hat und eine Wohnung mit Balkon zu einem der Innenhöfe bewohnt, merkt schnell, wie ruhig und fast schon idyllisch die Schanze sein kann.
Sternbrücke im Nordwesten
Aber auch abseits der Innenhöfe hat die Sternschanze in Hamburg ruhige Ecken. Hinter der Flora erreicht man durch den Flora-Park, vorbei am Kilimanschanzo (einer Outdoor-Kletterwand), die Wohnstraßen der Schanze. Hier gibt es noch echten Altbau, große Wohnungen und kleine Eckkneipen ohne Trubel und mit viel Ruhe. Wem das auf Dauer aber zu langweilig ist, der hat es nicht weit. Nur ein paar Meter die Stresemannstraße entlang und schon steht man unter der Sternbrücke im Nordwesten des Viertels. Ein fast schon legendärer Ort, von dem sich die Hamburger sich mit Ende des Jahres 2023 verabschieden mussten. Mehr in „Es war einmal die Sternbrücke: Letzte Tage einer Subkultur“
Spaziergang durchs Karolinenviertel
Wer nicht feiern, sondern Shoppen möchte, sollte sich im Fall der Schanze nach Südosten orientieren. Vom Neuen Pferdemarkt geht es vorbei an Zoë-Sofabars in die Beckstraße. In dieser Straße aus dem 19. Jahrhundert ist das Azeitona der perfekte Ort für einen Zwischenstopp. Gestärkt mit den wohl besten Falafeln der Stadt geht es über den Lattenplatz am Knust, vorbei an der Hanseplatte ins benachbarte St. Pauli. Direkt hinter der Brücke über die U3 zwischen U-Bahn Sternschanze und Feldstraße gelangt man ins Karolinenviertel.
Im Norden begrenzt durch die Messe Hamburg und im Süden durch die Feldstraße haben sich im hier neben Jung von Matt, einer der größten Werbeagenturen Deutschlands, viele kleine Geschäfte niedergelassen. Im Karoviertel finden sich nicht nur einige der besten Plattenläden, entlang der Marktstraße liegt ein Augenmerk ganz klar auf Vintage-Mode. Darüber hinaus gibt es aber auch neuen Chique wie bei Herr von Eden oder kleine Restaurants wie das Bodega Lima. Damit ist das Karoviertel der perfekte Abschluss oder ein wunderschöner Auftakt für einen Streifzug über die Sternschanze.
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