FoodSZENE: Wie sich junge Gastronomen Gehör verschaffen

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Foto: Jasmin Shamsi

Als die drei jungen Inhaber die Türen ihres Restaurants Klinker im vergangenen Mai endlich öffnen konnten, lag eine achtmonatige Odyssey hinter ihnen. Die Gründe? Zu viel Bürokratie und fehlende fachliche Unterstützung, wie sie sagen

Text und Fotos: Jasmin Shamsi

Sich mit einer eigenen Gastronomie selbstständig zu machen, ist für viele der große Traum. Knapp 60 Neueröffnungen in Hamburg seit Frühjahr 2018 – das ist Rekord. Was auffällt: Vor allem junge Menschen, die sogenannte „Generation Y“, scheinen die Branche für sich entdeckt zu haben. Man sagt den Millennials einen gewissen Weltverbesserungsethos nach. Das spiegelt sich in vielerlei Hinsicht auch in den gastronomischen Konzepten wider: Auf den Teller kommen wenig überladene Gerichte, die dafür mit Top-Produkten – idealerweise aus der Region – zubereitet wurden.

Nachhaltigkeit ist ein großes Thema, ebenso bewusster Genuss sowie ein verantwortungsvoller Umgang mit natürlichen Ressourcen und, ja, auch (Fach-)Personal. Wichtigste Devise: Die Arbeit soll Sinn machen und gleichzeitig Sinn stiften.

Die charismatischen Fernsehköche der 1990er Jahre haben der Gastronomie zu neuem Ansehen verholfen – jetzt ist es Zeit, wieder mehr zu fokus­sieren. Gutes Handwerk abzuliefern und „die Klappe zu halten“, wie Marianus von Hörsten fordert. Zumindest, was das ­Kochen betrifft. Zusammen mit seinen beiden Kollegen Aaron Hasenpusch und Claudia Steinbauer hat er Ende Mai das Res­taurant Klinker in der Schlankreye eröffnet.

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Alles fertig, nur die Konzession lässt auf sich warten: das Restaurant Klinker kurz vor der Eröffnung

Der 27-Jährige ist auf dem Demeter-Hof Wörme am Rand der Lüneburger Heide aufgewachsen und weiß, wie viel Arbeit hinter einem landwirtschaftlichen Betrieb steckt. Seine Kochausbildung absolvierte er in Jesteburg im Restaurant Hof & Gut und trat anschließend eine Stelle im Sra Bua by Tim Raue in Berlin an. Durch Zufall lernte er dort seinen Kollegen Aaron kennen, der ebenfalls in einem von Raues Restaurants kochte, dem 2-Sterne-Flaggschiff am Checkpoint Charlie.

Sie beschlossen, gemeinsame Sache zu machen: Ein dreitägiges Pop-up-Restaurant in Berlin-Kreuzberg ­brachte sie über Umwege nach Hamburg, wo sie drei Wochen unter dem Arbeitstitel „Tabula Rasa“ im Cook Up kochten. „Der Laden war jeden Abend ausgebucht“, erinnert sich Aaron. Kurz darauf erfuhren sie von einer frei werdenden Immobilie direkt neben dem Holi-Kino und schlugen zu – angesichts der aktuellen Marktlage ein unverschämtes Glück. 

Ausgebremst durch immer neue Auflagen

Die Sache hat natürlich einen Haken. Mehr als acht Monate hat das Dreiergespann darauf gewartet, endlich eröffnen zu können. „Wir haben uns in der Zeit mit mehreren Jobs über Wasser gehalten“, sagt Gastgeberin Claudia Steinbauer, die unter anderem jahrelang im Berliner Grill Royal tätig war. Sie hat das Gefühl, dass es Gründern in Hamburg schwer gemacht würde. Während Personal, ausgewählte Produzenten und Konzept schon früh standen, gab es bis zum Schluss Probleme mit der Konzession.

Da ist zum Beispiel die Sache mit den Fluchtwegen, die aufgrund der denkmalgeschützten Fassade durch den Keller verlaufen müssen. Ein hüfthohes Mäuerchen am Kellereingang fiel durch die Statikprüfung. Ständig haben sich neue Auflagen ergeben, nicht nur von Seiten des Denkmalschutzamts. Zuletzt waren 480 Euro für die Generalinspektion des Fettabscheiders fällig.

„Die Verzögerung ist zum Teil auch unsere Schuld“, gibt Claudia zu. Sie seien an die ganze Sache recht blauäugig rangegangen. Könnten sie die Zeit zurückdrehen, würden sie von Anfang an die Behörden mit ins Boot holen. Wer hilft jungen Gründern, an die entsprechenden Infos zu kommen? Reicht es, dass die Handelskammer Hamburg auf ihrer Website Checklisten für Selbstständige und Infos zu Rechtsvorschriften bereitstellt? Werden die Beratungsangebo­te der Handelskammer oder auch Verbraucherschutzämter genutzt? Welche Rolle kommt dem DEHOGA als Lobby für die Branche zu und wird der Interessenverband seinen Zielen gerecht?

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Insgesamt bleibt der Eindruck, dass eine Neugründung in Hamburg viel Bürokratie mit sich bringt. „Wir fühlen uns gegängelt und bei wichtigen Themen wiederum alleingelassen“, beschwert sich das Team vom Restaurant Klinker. „Für die Hotellerie ist der DEHOGA ein wichtiger Ansprechpartner. Belange der Gastronomie bleiben dagegen häufig unter dem Radar.“

Der anfänglichen Euphorie ist mittlerweile ein bitterer Nachgeschmack gewi­chen. Darüber möchten die drei Gründer gerne reden, ihr Lokal soll zukünftig auch als Plattform für Diskussionsrunden zur Verfügung stehen. Fachkräftemangel, Bezahlung nach Tarif, Besteuerung von Lebensmitteln, Nachhaltigkeit – das sind auch Themen der Stadtpolitik. 

Die Hamburger Gastro­szene befindet sich im Umbruch, das sollte die Stadt als Chance sehen. Nicht nur, dass die Branche ein wachsender Wirtschaftsfaktor ist, immer mehr wird sie auch von Menschen gestaltet, die mitdenken und Verantwortung für ihre Umwelt übernehmen. Schade, wenn dieser Auftrieb durch Bürokratismus ausgebremst wird.

Restaurant Klinker: Schlankreye 73 (Harvestehude)


Foto: Philipp Jung

Unsere Kollegin Jasmin Shamsi schlemmt sich für uns durch Hamburg. Als Foodredakteurin schlägt ihr Herz für Kultur und Kulinarik – die zwei großen Ks, für die sie brennt. Für uns spürt sie die Geschichten über Macher und Marken auf und serviert sie brühwarm und immer neu gewürzt – online und in jeder Ausgabe der SZENE HAMBURG.


Szene-Hamburg-August-2019-TitelDieser Text stammt aus SZENE HAMBURG, August 2019. Titelthema: Wie sozial ist Hamburg? Das Magazin ist seit dem 27. Juli 2019 im Handel und zeitlos im Online Shop oder als ePaper erhältlich!


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